Yes, we can: Organic Future Camp
Wie junge Menschen die Agrarwende mitgestalten: Beim Organic Future Camp entwickelten mehr als 100 Teilnehmende einen 16-Punkte-Plan zur Transformation der Land- und Lebensmittelwirtschaft – mit direkter Anbindung an das Bundeslandwirtschaftsministerium. Die Schweisfurth Stiftung sorgte mit ihren Partnern für einen Beteiligungsprozess mit Modellcharakter.
Vom 16. bis 18. Juni 2025 wurde das Wassergut Canitz in Sachsen zum Zukunftslabor: 120 junge Menschen aus ganz Deutschland kamen dort zusammen, um ihre Vision einer zukunftsfähigen Land- und Lebensmittelwirtschaft zu entwickeln. Eingebettet in die Öko-Feldtage 2025 und initiiert vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH), stellte das Organic Future Camp (OFC) ein neues, mutiges und erfolgreiches Beteiligungsexperiment dar – konzipiert, organisiert und durchgeführt von der Schweisfurth Stiftung.
Beteiligung neu gedacht: ein innovatives Camp-Format
Zum OFC eingeladen waren junge Menschen zwischen 16 und 32 Jahren, um die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft von morgen mitzugestalten. Die Teilnehmenden kamen aus den unterschiedlichsten Bereichen: aus ökologischer und konventioneller Landwirtschaft, aus Lebensmittelverarbeitung, Umwelt- und Klimaschutz, Bildung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Rund die Hälfte befand sich noch in Ausbildung, die andere Hälfte im Arbeitsleben.
Zur Vorbereitung des OFC waren Ergebnisse früherer Beteiligungsprozesse analysiert worden – darunter der Zukunftskommission Landwirtschaft, des EU-Agrardialogs und vor allem der Biostrategie 2030. Das Junge Expertiseteam – ein zehnköpfiges Team aus Engagierten unter anderem von der Landjugend, dem Öko-Junglandwirt:innen-Netzwerk, der jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und dem Bündnis Junge ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft – wählte auf Basis der Analyse acht Themenschwerpunkte aus und formulierte gemeinsam mit dem Bundesministerium konkrete Fragestellungen für das Camp.
Auf dem Wassergut Canitz erarbeiteten die Teilnehmer:innen des OFCs dann in Kleingruppen, sogenannten „Reisegruppen“, zu den Schwerpunkten ihre Zukunftsbilder. Die Themen reichten von Zugang zu Land und Existenzgründung, gerechter Bodenpolitik und artgerechter Tierhaltung über sozial gerechte Arbeitsbedingungen bis hin zu Wissenstransfer, Verarbeitung und Vermarktung sowie Ernährungssysteme im Kontext globaler Verantwortung. Auch die neue Gentechnik wurde kritisch diskutiert.
Ein demokratischer Prozess in der Natur unter Zeitdruck
Mit großen Moderationsflächen auf Streuobstwiesen, kreativ gestalteten Jurten, mobilen Whiteboards und kleinen Plenen verwandelten die Teilnehmer:innen das Wassergut Canitz dabei in einen lebendigen Denk- und Arbeitsort voller Kreativität und Tatendrang. Im Mittelpunkt standen der Austausch und das gegenseitige Verständnis: Denn das Ziel war es, aus den Zukunftsbildern aller Reisegruppen eine gemeinsame Vision einer zukunftsfähigen Land- und Lebensmittelwirtschaft zu erarbeiten sowie nicht nur Forderungen zu stellen, sondern auch Wege zur Umsetzung aufzuzeigen. Impulse dafür erhielten die Teilnehmer:innen von Expertinnen und Experten.
Die Gruppen arbeiteten sogar teils bis spät in die Nacht: „Die große Herausforderung bestand darin, in gut 48 Stunden, inklusive wissenschaftlichem Input, substanzielle Ergebnisse im Beteiligungsprozess mit über 100 Personen zu erarbeiten“, so Projektleiterin Nora Klopp von der Schweisfurth Stiftung. „Das Konzept ist aber durch die super motivierten und diversen Teilnehmenden perfekt aufgegangen.“ Das Ergebnis: Nahezu alle Punkte des gemeinsam erarbeiteten 16-Punkte-Plans (siehe Seite ??) fanden einstimmige Unterstützung, ein starkes Mandat.
Auf Augenhöhe mit Politik und Fachöffentlichkeit
Die gemeinsame Zukunftsvision und der 16-Punkte-Plan zur Transformation der Land- und Lebensmittelwirtschaft wurden nach zwei Tagen engagierter Arbeit auf der Hauptbühne der Öko-Feldtage an Dr. Burkhard Schmied, dem Abteilungsleiter im BMLEH, übergeben. Die Präsentation vor Fachpublikum, Medien und politischen Entscheidungsträger:innen war für die jungen Teilnehmer:innen ein besonderer Moment. Martina Englhardt-Kopf, Parlamentarische Staatssekretärin kommentierte: „Es beeindruckt mich, mit wie viel Engagement und Weitblick junge Menschen ihre Vision für die Land- und Lebensmittelwirtschaft von morgen formulieren. Die Ergebnisse des Organic Future Camps zeigen: Die nächste Generation will mitgestalten – verantwortungsbewusst, konstruktiv und lösungsorientiert. Diese Stimmen nehmen wir sehr ernst. Mein herzlicher Dank geht an alle Beteiligten, die hier mit Herz und Verstand an der Zukunft arbeiten.“
Der 16-Punkte-Plan fordert eine umfassende Agrarwende mit Fokus unter anderem auf Vielfalt in der Wertschöpfungskette, Ressourcenschonung und regionale Strukturen. Agrarökologische Bildung soll inklusiv, praxisnah und für alle Gesellschaftsschichten zugänglich sein. Die OFC-Teilnehmer:innen fordern faire Arbeitsbedingungen, den Schutz kleiner Betriebe sowie gerechten Zugang zu Land. Sie sprechen sich für eine stärkere Förderung des Ökolandbaus aus, lehnen neue Gentechniken ab und fordern, junge Perspektiven dauerhaft in politische Prozesse einzubinden.
Das Landwirtschaftsministerium will nun die Vorschläge in seinen Referaten prüfen und Rückmeldungen geben. Und in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) wurde ein internes „After Camp“ organisiert, in dem das Papier mit aktuellen Förderinstrumenten abgeglichen wird. Dieser Rücklauf aus der Verwaltung stellt in Beteiligungsprozessen eine Besonderheit dar. Doch das ist den OFC-Teilnehmenden nicht genug: Sie fordern eine Fortsetzung des Camps – idealerweise bei den nächsten Öko-Feldtagen 2027. Ein entsprechender Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer ist bereits verschickt.
Schweisfurth Stiftung: Erfolgreiches Beteiligungsdesign aufgebaut
Für die Schweisfurth Stiftung war das OFC weit mehr als ein Projektauftrag. Als verantwortlicher Partner für Konzeption, Organisation und methodische Umsetzung war der Stiftung von Anfang an wichtig, ein Format zu konzipieren, das Beteiligung ernst nimmt – nicht als symbolischen Akt, sondern echten Impuls für echte Transformation Gemeinsam mit dem Ministerium, dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (zuständig für Logistik), der Kommunikationsagentur m&p (zuständig für Kommunikation) und dem Jungen Expertiseteam konnten wir in kürzester Zeit ein neues Beteiligungsformat abstimmen, organisieren und erfolgreich durchführen. „Das OFC war mutig, innovativ – und in dieser Form ein Novum“, so Dr. Niels Kohlschütter, Vorstand der Stiftung. Besonders in der Zusammenarbeit mit dem JET zeigte sich, wie junge Stimmen zu Expert:innen ihrer eigenen Zukunft werden – wenn man ihnen Raum gibt und Vertrauen schenkt.
Für die Schweisfurth Stiftung sind das Organic Future Camp 2025 und der 16-Punkte-Plan ein Auftakt für mehr Beteiligung. Sie wird sich weiter dafür einsetzen, dass junge Stimmen auch bei künftigen Öko-Feldtagen systematisch eingebunden werden. Denn das hat das OFC 2025 deutlich gezeigt: Die Zukunft der Landwirtschaft lässt sehr gut gemeinsam gestalten – generationenübergreifend, partizipativ und konstruktiv.
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