Netzwerk News

„Von paleo bis vegan – gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft“

Eine Diskussionsrunde auf dem Internationalen Butcher’s Festival

Mitte Juni fand in Glonn bei München das erste Internationale Butcher’s Festival auf dem Gelände der Hermannsdorfer Landwerkstätten statt. Die Besucher:innen durften die Kunst des Metzgerhandwerks aus verschiedenen Ländern hautnah erleben, in Talkrunden tauschten sich die Gäste darüber aus, was das Handwerk aktuell bewegt. Dr. Niels Kohlschütter, Agrarwissenschaftler und Vorstand der Schweisfurth Stiftung, moderierte eine Podiumsdiskussion zum Thema „Wie können wir uns in Zukunft nachhaltig ernähren, so dass wir alle satt werden und der Planet gesund bleibt? Und brauchen wir dazu die Nutztierhaltung und wenn ja, wie sollte diese aussehen?“ Die wichtigsten Statements im Überblick.

Dr. Niels Kohlschütter stellte zunächst zwei Ernährungsstile vor, eine mit und eine ohne Nutztierhaltung: „‘Paleo‘ steht für eine Ernährungsweise, die zu Zeiten des Paläolithikums, der Altsteinzeit, vorherrschend war. Daher wird die Paleo-Diät auch als Steinzeiternährung bezeichnet. Vertreter:innen der Paleo-Diät gehen davon aus, dass diese sich evolutionsbedingt auch heute noch positiv auf den Menschen auswirkt und essen vorwiegend Fleisch, Fisch, Gemüse, Obst und Nüsse. Auf Getreide, Zucker, Hülsenfrüchte oder Milch wird verzichtet. ‚Vegan‘ ist ein Ernährungsstil, der ohne tierische Produkte, also ohne Nutztiere auskommt.“ Als Möglichkeit, wie ein zukunftsfähiges Ernährungssystem mit Fleisch aussehen könnte, verwies Dr. Kohlschütter auf die Planetary Health Diet. Es wurde entwickelt von der Nichtregierungsorganisation EAT und der renommierten medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“:

„Die EAT-Lancet-Kommission besteht aus 37 Expert:innen unterschiedlicher Fachgebiete aus 16 Ländern. Diese hat die Planetary Health Diet entwickelt, eine Strategie für Landwirtschaft und Ernährung, die die Gesundheit des Menschen und der Erde gleichermaßen schützen soll. Der Report zeigt, dass es machbar ist, bis zum Jahr 2050 etwa zehn Milliarden Menschen auf der Erde gesund zu ernähren, ohne den Planeten zu zerstören. Dazu müsste der Konsum von Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen ungefähr verdoppelt werden, der Verzehr von Fleisch und Zucker dagegen halbiert. Neben der veränderten Ernährungsweise müssten die Lebensmittelproduktion verbessert und Lebensmittelabfälle stark reduziert werden. Die EAT-Lancet Kommission zeigt somit, dass wir uns unter Berücksichtigung der ökologischen Grenzen vielfältig ernähren und gleichzeitig zur Regeneration der Ökosysteme beitragen können.“

„Wieviele Tiere braucht der Planet?“

Dr. Anita Idel ist Tierärztin, Mediatorin und Autorin. Ihr Buch „Die Kuh ist kein Klima-Killer! – Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können“ erschien 2024 in 10. Auflage. Sie wurde mehrfach für ihr Engagement für die Ökologisierung der Landwirtschaft und eine gesunde Tierzucht ausgezeichnet. Idel verwies auf den gesamtökologischen Zusammenhang und die Bedeutung der Koevolution von Graslandschaften und Weidetieren:

„Die Frage lautet für mich nicht, wie viele Tiere verkraftet unser Planet, sondern, wie viele Tiere braucht unser Planet und welche? Zusätzlich begrüße ich für den gärtnerischen Bereich auch Forschung zur biozyklisch-veganen Landwirtschaft. Aber Prärien und andere fruchtbarste Böden dieser Welt, wie die 100-Punkte-Böden in Deutschland, haben alle eine gemeinsame Geschichte als Steppenböden: Sie sind über Jahrtausende und länger beweidet worden. Gräser verzichten – einmalig im Pflanzenreich – nicht nur völlig auf Abwehrmaßnahmen gegen das Gefressen-werden, sondern profitieren sogar von ihrer echten Symbiose mit den Weidetieren: Die Koevolution der Gräser und der Weidetiere regt durch den Biss das Wachstum der Feinwurzeln an. 80 Prozent der Bodenbildung entsteht durch Wurzelbiomasse. Wir brauchen das Weidetier zur Bildung des Bodens mit all seinen Funktionen – der Bodenbildung, der biologischen Vielfalt sowie zur Aufnahme und Speicherung von Wasser. Alternativlos sind Weidetiere bei der Nutzung von Auen. Wir brauchen Auen als Verbundbiotope. Und als Überschwemmungsflächen, wie wir bei den jüngsten Hochwassern wieder gesehen haben.“

Axel Anders, Mitglied im Vorstand des Förderkreises Biozyklisch-Veganer Anbau e. V., vertrat in der Runde die Ziele einer pflanzenbasierten Landwirtschaft ohne Nutztiere. Er erläuterte das Konzept des biozyklisch-veganen Anbaus und wie dieses Agrarsystem ohne tierische Betriebsmittel funktioniert:

„Die Kernfrage lautet: Kann man langfristig die Bodenfruchtbarkeit auf rein pflanzlicher Grundlage ohne den Dung von Nutztieren erhalten? Dies wird in der Landwirtschaft kaum thematisiert, man weiß wenig darüber, es gibt kaum Forschung dazu. Es gibt aber erste Langzeitstudien mit sehr positiven Ergebnissen. Auch eine Vielzahl von Betrieben in Europa, vor allem in Deutschland und Griechenland, zeigen seit Jahren in der Praxis, dass es bereits mit den Methoden des klassischen Ökolandbaus funktioniert. Mit einem ausgeklügelten Kompostsystem (Biozyklische Humuserde) lassen sich die Erträge sogar noch erhöhen. Dieser Weg ist also möglich. Viele Menschen wollen keine tierischen Produkte mehr essen und wollen auch nicht, dass die Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel mit Tierleid verknüpft ist. Denen könnte man mit Produkten, die mit dem Biozyklisch-Veganen Gütesiegel gekennzeichnet sind, welches erstmals eine ökologische Qualität ‚Vegan ab Feld‘ garantiert, ein alternatives Angebot machen.“

Öko-Landwirtschaft aus Liebe zum Tier

Sven Gabriel ist Metzger, Koch, Jäger und Landwirt. Gemeinsam mit seiner Frau hat er vor sieben Jahren den Betrieb Gut Fahrenbach, einen Bioland-Betrieb übernommen. Er setzt sich für die Verarbeitung und Vermarktung von Bio-Fleisch in regionalen Kreisläufen ein. Er erklärte seine persönliche Sicht auf landwirtschaftliche Tierhaltung:

„Ich halte Rinder auf einem Bioland-Betrieb. Für den Beruf Landwirt habe ich mich genau aus diesem Grund entschieden: Ich wollte mit Tieren umgehen. Durch die Tiere ist Leben auf dem Hof. Für mich käme Landwirtschaft ohne Nutztiere deshalb nicht in Frage.

Amelie Schweisfurth, Enkelin des Gründers der Herrmannsdorfer Landwerkstätten, ist Metzgerin in der fünften Generation und absolviert gerade ihre Meisterausbildung. Zudem ist sie gelernte Köchin und hat in diesem Beruf bereits in verschiedenen Städten und Ländern

gearbeitet. Sie betonte den Zusammenhang zwischen der Nutztierhaltung, einer guten Schlachtung und der Qualität des Fleisches:

„Wir handwerklichen Metzger wollen die beste Qualität produzieren, Güteprodukte. Das können wir nur, wenn wir Tiere haben, die ein gutes Leben hatten und in Ruhe geschlachtet werden. Die artgerechte ökologische Haltung des Tiers ist sehr wichtig. Wir Metzger müssen uns also darum kümmern, dass Tiere gut gehalten werden.“

International Butcher’s Festival in Herrmannsdorf

Am 15. Und 16. Juni luden die Herrmannsdorfer Landwerkstätten zum ersten Mal zu einem International Butcher’s Festival, einer internationalen Metzger:innen-Feier, ein. Mehrere Hundert Menschen aus ganz Europa kamen nach Glonn südöstlich von München, um sich dort über die aktuellen Herausforderungen des Metzgerhandwerks auszutauschen, gemeinsam fachzusimpeln und zu feiern. Besucher:innen erhielten Einblicke in die praktische Arbeit von Metzger:innen. So konnten sie beispielsweise das Schlachten von Schweinen, die traditionelle Herstellung von polnischer Blutwurst oder das Zerlegen eines Limpurger Kalbs von der Schwäbischen Alb live miterleben. Der Unternehmer Karl Ludwig Schweisfurth (1930-2020), der die Herrmannsdorfer Landwerkstätten aufgebaut hat, gründete 1985 die Schweisfurth Stiftung. Sie engagiert sich für regional-ökologische Ernährungssysteme. Vorstand der Stiftung ist Dr. Niels Kohlschütter.

Weitere Informationen:

Buchtipp:

Anita Idel (2024, 10. Auflage): Die Kuh ist kein Klimakiller! Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können. Marburg: Metropolis.