Ernährungssouveränität und High-Tech Agrarwirtschaft – ein Widerspruch?

Vertical Farming – über den Trend, der den Anbau von Gemüse in die Stadt zurückholt, haben wir im Kritischen Agrarbericht 2018 bereits berichtet. Nun lud Ende Februar das Vertical Farming Institut zur Skyberries Konferenz nach Wien. Zwei Tage reichten sich dort renommierte Referenten wie Dickson Despommier (Mikrobiologe & Pionier des Vertical Farmings), Saskia Sassen (Soziologin & Wirtschaftswissenschaftlerin) und Isabel Monitor (Gründerin von Farmers Cut) das Mikrofon mit visionären, technischen und kritischen Beiträgen rund um Vertical Farming.

Wurzeln ohne Boden

Die Landwirtschaft kommt wieder verstärkt dorthin, wo immer mehr Menschen leben und versorgt werden wollen. Bekannter als Vertical Farms sind bereits urbane Gärten, solidarisch organisierte landwirtschaftliche Betriebe, Hochbeete in Kindergärten und Schulen sowie essbare Städte: Hier wird für und mit den Städtern sichtbar vermehrt gepflanzt und geackert. Doch der Erde, dem Boden, in dem Würmer kriechen und Pflanzen ihre Wurzeln schlagen, könnte bald der Rang abgelaufen werden. Denn neben den organischen Formen des Anbaus rücken anorganische Varianten in den Fokus. Forschung und Investitionen, ob zu Aquaponik, Hydroponik oder Aeoroponik, wird an vielen Instituten vorangetrieben.

High-Tech ist kostenintensiv

Kann Ernährungssouveränität, also die Möglichkeit, den Landwirtschafts- und Ernährungsstil selbst zu definieren und selbst zu wählen, was wo angebaut und verzehrt wird, bei diesen Formen der Lebensmittelproduktion erhalten werden? Um dieser Frage nachzugehen, ist es hilfreich zwischen Low- und High-Tech-Varianten des Vertical Farming zu unterscheiden. Während im Low-Tech-Bereich, z.B. in Hochbeeten, Erde genutzt wird, ist dies bei den High-Tech Varianten wie Aqua- und Hydroponik nicht der Fall. Technik und Equipment – von LED-Lampen über Nährlösung, Dünger, passendem Saatgut bis hin zu Pflanzvorrichtungen – sind in der Anschaffung und im Betrieb kostspielig und damit nicht allen zugänglich. Hinzu kommen die entsprechenden isolierbaren Räumlichkeiten bzw. Gebäude, Bunker oder Dächer. Die Souveränität ist also bei High-Tech-Varianten in Gefahr.

Lebensmittel aus Stadt und Land

Um die Lebensmittelpreise für alle tragbar zu halten, sind die Low-Tech-Varianten weiterhin relevant und unterstützenswert. Sie ermöglichen bezahlbare Lebensmittelpreise und den eigenen Anbau, in der Stadt und auf dem Land. Damit tragen sie zu einer Vielfalt im Lebensmittelangebot und zur Ernährungssouveränität im Sinne von Auswahl bei.

Bei Ackerfrüchten wie Kartoffeln, Getreide und Karotten kann Vertical Farming mit organischem Anbau nicht konkurrieren. Die Fruchtvielfalt ist in der vertikalen Landwirtschaft beschränkt und würde die Auswahl von Lebensmitteln derzeit stark reduzieren. Doch auch hier schreitet die Technologie voran: Mittlerweile lassen sich Salate und Kräuter, aber auch einige Gemüse und Obstsorten in der neuen Generation der Gewächshäuser ertragreich kultivieren.

Um Ernährungssouveränität zu gewährleisten, ist für uns Diversität gefragt – sowohl was Anbausysteme betrifft, als auch die angebauten Früchte. Dazu gehört nicht nur die Forschung nach bodenlosen Anbausystemen wie Hydrokulturen, sondern ebenso die Instandhaltung und Regeneration der Böden, die genutzt oder bereits zerstört wurden.

Wo Kinder gut essen lernen: Bildungswerk Kronsberghof

Gemüse, Milch, Eier − für die meisten Kinder kommen Nahrungsmittel heute aus dem Supermarkt. Wer sie wie herstellt, lernen die wenigsten. Dabei ist dieses Wissen die Grundlage für eine gesunde Ernährung und für die Wertschätzung von Lebensmitteln. Deshalb bietet das Bildungswerk Kronsberghof gGmBH Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion hautnah zu erfahren.

Lernort Bauernhof
Mit den jeweils altersgerecht konzipierten Bildungsangeboten des Kronsberghofes werden die ganz Kleinen ebenso angesprochen wie Abiturienten. Das Bildungswerk vermittelt Kindergartengruppen und Schulklassen an Bauernhöfe und lebensmittelverarbeitende Betriebe in der Region. Hier erleben die Teilnehmer, wie Korn wächst und zu Brot verarbeitet wird, wie die Tiere leben, die Milch, Eier und Fleisch liefern. Trägerin des Bildungswerks ist die Schweisfurth Stiftung zusammen mit dem Verein „Ländliche Erwachsenenbildung in Niedersachsen e.V.“.

Der Ernährungsführerschein
Grundschulkinder der dritten Jahrgangsstufe können beim Bildungswerk den „Ernährungsführerschein“ machen. In sieben Unterrichtseinheiten und bei einem Vormittag auf dem Bauernhof lernen die Kinder, woher die Lebensmittel kommen, wie sie verarbeitet und gelagert werden und wie man einfache, gesunde Gerichten zaubert. Das Gelernte wird in einer Theorie- und Praxisprüfung abgefragt, das erworbene Wissen in einem Führerschein mit Passbild und Stempel dokumentiert. Es wird die Kinder ihr Leben lang begleiten − beim Einkaufen, in der Küche und am Esstisch. Daneben gibt es viele weitere spannende Angebote für Schüler, Eltern und Lehrer.

Die aktuellen Kurse und Aktivitäten finden Sie auf http://www.bildungswerk.leb.de

 

Kurz-gut

Projektname: Bildungswerk Kronsberghof
Startschuss:
1997
Status:
läuft
Wirkungskreis:
lokal, regional
Zielgruppe:
Kinder, Jugendliche, Lehrer, Eltern
Maßnahme:
Die Schweisfurth Stiftung ist einer der rechtlichen Träger des Bildungswerkes und sorgt für kontinuierliche Weiterarbeit.
Leitung / Ansprechpartner/in für alle Ernährungsthemen
: Karen Lau vom Bildungswerk Kronsberghof, karen.lau@leb.de
Mehr unter:
www.bildungswerk.leb.de