Solawis – die Zukunft der Landwirtschaft?

Der Buschberghof in Schleswig-Holstein war 1988 der erste in ganz Deutschland, der als Solidarische Landwirtschaft (kurz Solawi) betrieben wurde. Damals wagten die Jungbauern, die den Hof übernommen hatten, ein neues Konzept. Die auf dem Hof erzeugten Lebensmittel werden seitdem nicht mehr an Großhändler oder auf dem Wochenmarkt verkauft. Stattdessen verteilt sie der Erzeuger direkt an eine Gruppe privater Haushalte. Im Austausch dafür finanzieren die privaten Abnehmer die Arbeit des Hofs durch einen jährlich festgelegten und meist monatlich zu zahlenden Betrag, der alle Kosten des Betriebes deckt. Hofbetreiber und Abnehmer*innen bilden also eine eigene Wirtschaftsgemeinschaft.

Geteiltes Risiko, geteilte Ernte
Die Vorteile: Der Landwirt muss seine Arbeit nicht mehr vom Preisdruck diktieren lassen. Er kann so arbeiten, dass er gesunde Lebensmittel erzeugt, weniger ertragreiche, aber schädlingsresistente Sorten kultiviert, Landschaft und Natur schützt. Die teilnehmenden Haushalte bekommen im Gegenzug die gesamte Ernte, teilweise auch weiterverarbeitete Lebensmittel wie Brot oder Käse. Sie bezahlen also nicht mehr für ihre Nahrungsmittel, sondern für die ökologisch sinnvolle Bewirtschaftung des Betriebes. Alle teilen sich Verantwortung, Risiko, Kosten und letztlich die Ernte.

Solawis werden immer beliebter
Zehn Jahre dauerte es, bis die ersten Nachahmer ebenfalls den Schritt zur Solawi taten. In den letzten Jahren steigt die Zahl der so bewirtschafteten Höfe stetig. Aktuell gibt es mindestens 109 bestehende Solawi-Betriebe und 106 Solawi-Initiativen in Deutschland. Sie bezeichnen sich auch als Gemeinschaftshöfe, Landwirtschafts- oder Versorgungsgemeinschaften. Einige Höfe sind strikt basisdemokratisch organisiert, in anderen haben die Erzeuger bei Betriebsentscheidungen weitgehend freie Hand. Einzige Voraussetzung bleibt immer, dass das jeweilige Konzept von der Gemeinschaft aus Bauern und Privatleuten getragen wird.

Was können Solawis zusammen bewirken?
Können neue Wirtschaftsformen und –Initiativen, wie Solidarische Landwirtschaft, Aquaponik-Konzepte oder Urban Gardening Projekte das etablierte Ernährungssystem in Deutschland verändern? Wie können sie dabei zusammenarbeiten und einander unterstützen? Diese Fragen untersucht das gemeinsame Forschungsprojekt „nascent – Neue Chancen für eine nachhaltige Ernährungswirtschaft durch transformative Wirtschaftsformen“ der Universität Oldenburg, der Hochschule München und der anstiftung. Die Schweisfurth Stiftung ist Beratungspartner des Projekts. Insgesamt 26 Unternehmen und Initiativen, wie die Münchner Produktionsgemeinschaft Kartoffelkombinat, die Leipziger urbane Landwirtschaft ANNALINDE oder die TAGWERK Genossenschaft, unterstützen das Forschungsprojekt mit ihrem vielfältigen Praxiswissen. Zehn Transferpartner, darunter das 2011 gegründete Netzwerk Solidarische Landwirtschaft, helfen bei der Verbreitung der Ergebnisse.

Mehr aktuelle Informationen zu Solawis finden Sie hier:

Broschüre zum Weiterlesen:
„Solidarische Landwirtschaft – Gemeinschaftlich Lebensmittel produzieren“

Über Fortschritte und Ergebnisse des Projekts „nascent“ können Sie sich hier informieren:
„nascent – Neue Chancen für eine nachhaltige Ernährungswirtschaft durch transformative Wirtschaftsformen“ 

Sie überlegen, sich einer Solawi anzuschließen? Hier finden Sie Initiativen in Ihrer Nähe:
Interaktive Landkarte für Solidarische Landwirtschaft

Profil und Interview vom Kartoffelkombinat auf relaio.de – Der Plattform für nachhaltiges Unternehmertum der Hans Sauer Stiftung

Beitragsbild:                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          © David Freudenthal, mit freundlicher Unterstützung der Hans Sauer Stiftung

DORV belebt Dörfer neu

In Deutschland grassiert das Dorfsterben: Drei Viertel aller Gemeinden verlieren Einwohner. Immer mehr junge Menschen zieht es in die Städte. Die Älteren bleiben zurück und haben mit fehlender Infrastruktur, der Abwanderung von Arbeitsplätzen, schwindenden Einkaufsmöglichkeiten und sozialer Vereinsamung zu kämpfen. Postamt, Metzger, Bäcker und der Dorfgasthof sind in vielen Dörfern längst verschwunden. Dafür fressen sich Gewerbegebiete, in denen sich die immer gleichen Ketten ansiedeln in die Naturräume rund um Städte: Parkplatz- und Asphaltwüsten prägen das Bild.

Tante Emma kehrt heim
Das Projekt DORV (Dienstleistung und Ortsnahe Rundum Versorgung) tritt dem Dorfsterben entgegen. Das Prinzip ist einfach: Vor Ort wird ein DORV-Zentrum geschaffen, eine Art moderner Tante-Emma-Laden, der Lebensmittel, Dienstleistungen, soziale und medizinische Dienste anbietet. Außerdem werden hier Kommunikations- und Kulturangebote organisiert, die das soziale Leben im Ort bereichern. Hier können sich insbesondere die nicht (mehr) mobilen Menschen und die jungen Familien im Ort rundum versorgen und auch soziale Kontakte pflegen.

Multifunktionale Nahversorgung
Brot, Fleisch, Gemüse und andere Dinge des täglichen Bedarfs kaufen, Autos an- und ummelden, Geld abheben, Reisen buchen, Post aufgeben, Kaffee trinken, Kleidung zur Annahme für die Reinigung bringen: All das können die Bürger in einem DORV-Zentrum wohnortnah erledigen. Um sicherzustellen, dass Angebot und Nachfrage zusammenpassen, werden die Dorfbewohner schon bei der Planung des Zentrums von Projekt DORV nach ihren Wünschen und Bedürfnissen befragt. So werden die Menschen vor Ort als dauerhafte Nutzer*innen und Kunden*innen gewonnen. Die Rundum-Versorgung hat viele Vorzüge: Sie stärkt die regionale Identität und schafft wohnortnahe Arbeitsplätze. Durch die Vermarktung regionaler Produkte von ortsansässigen Landwirten bleibt die Wertschöpfung im Ort. Dorfwirtschaften und Cafés mit Kulturangeboten fördern außerdem das Gemeinschaftsgefühl, neue Einwohner finden schneller Anschluss.

Kooperation gefragt
Der Aufbau eines DORV-Zentrums verlangt nicht nur Koordination, sondern auch Kooperation. Gewerbetreibende, Kirchen und Sozialverbände sind gefragt, gemeinsam zu überlegen, was vor Ort gebraucht wird und wie es sich gemeinsam mit den Bürger*innen umsetzen lässt. Ein Kompetenzteam von Projekt DORV prüft anschließend mit einer Bedarfsanalyse die Voraussetzungen für die Einrichtung eines DORV-Zentrums. Während der Entstehung und auch im laufenden Betrieb beraten die DORV-Experten die Betreiber. So wird der langfristige Erfolg des jeweiligen Zentrums gesichert. Seit 2004 sind bundesweit 25 solcher Nahversorgungseinrichtungen entstanden. Weitere sind in Planung, auch in den Nachbarländern Österreich, Frankreich und in den Niederlanden. Dass dieses Konzept nicht nur im ländlichen Raum funktioniert, zeigt sich derzeit in einem Pilotprojekt. Das Quartvier-Zentrum in der 90.000-Einwohner-Stadt Düren (NRW) befindet sich bereits in der Umsetzung.

 

Kurz-gut

Projektname: DORV-Zentrum
Startschuss:
2004
Status:
läuft
Wirkungskreis:
lokal, regional
Zielgruppe:
Dörfer und Stadtviertel
Maßnahme:
Belebung des ländlichen Raumes, multifunktionale Nahversorgung
Ansprechpartner:
Heinz Frey, DORV, frey@dorv.de
Mehr unter:
www.dorv.de bzw. www.quartvier.de