Was ist gerecht? Die Dialektik sozialer, ökologischer und ökonomischer Perspektiven
Treffpunkt für Philosophen und politische Denker: Das Symposium „Zur Dialektik von sozialer und ökologischer Gerechtigkeit“ anlässlich des 80. Geburtstags von Prof. Peter Cornelius Mayer-Tasch [1] versammelte am 16. Und 17. März 2018 bekannte Persönlichkeiten aus der politische Ökologie in der Schweisfurth Stiftung. Der Jubilar ist Professor im Ruhestand für Politikwissenschaft und Rechtstheorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Gründer und Mit-Leiter der Forschungsstelle für Politische Ökologie, die seit dem Jahr 1984 besteht. Die Vorträge, Podiumsgespräche und Diskussionen des Symposiums zur ökologischen und sozialen Gerechtigkeit wurden im Kontext von Politik & Gesellschaft zu Versöhnung & Frieden und von China bis Afrika geführt. Sie boten theoretische Einblicke in die Thematik, regten Kontroversen an und verknüpften die Inhalte mit spirituellen Ansätzen.
Gratwanderung zwischen Emotion und Sachlichkeit
Ökologische Themen betreffen uns alle, und sind damit für uns Menschen emotional aufgeladen: Abgase in der Stadt, Wasserqualität in Badeseen sowie die Sicherheit von Lebens-Mittel. „Eine Balance zwischen Emotionen und Sachlichkeit zu finden“, so die Referentin Prof. Gabriele Kokott-Weidenfeld, „ist somit bereits die erste Herausforderung in der Diskussion um soziale und ökologische Gerechtigkeit.“ Während in der zwischenmenschlichen Beziehung Empathie ein Erfolgsfaktor ist, hat sie gesamtgesellschaftlich ihre Grenzen. Jenseits der Ebene des Mitgefühls sind Regulierungen notwendig.
Ökodiktatur oder Freiheit und Pluralität?
Sogleich stellt sich dann die Frage, wer reguliert? Ist es das Umweltministerium, oder handelt es sich um eine Querschnittsaufgabe, ähnlich wie bei der Digitalisierung? Auf lokaler, nationaler oder globaler Ebene? Und wer setzt die Vorschriften durch?
Kontroverse Diskussionen entfachten sich beim Symposium um die Umsetzung eines ökologisch vertretbaren Lebensstils. Denn dass sich etwas ändern muss, darüber waren sich wohl alle einig. Doch wie? Auf staatlicher Ebene testet China derzeit ein nationales Punkte- bzw. ein „Social Credit System“, in dem ein von der Regierung definiertes positives Verhalten belohnt, negatives hingegen bestraft wird. Könnte so ein System auch bei der Einhaltung ökologisch sinnvollen Verhaltens eine Option werden? Können solche autoritären bis totalitären Systeme dazu beitragen, dass wir Menschen die ökologischen Grenzen unseres Planeten mit Blick auf künftige Generationen achten? Wo blieben Freiheit und Pluralität, Demokratie und der Mensch als Vernunftwesen, der sein Lebensumfeld zusammen mit anderen gestaltet in einem solchen System?
„Die unerschöpfliche Kraft des Einfachen“ [2]
Auch wenn Umweltprobleme zum Teil exportiert werden, gemäß dem Motto „neben uns die Sintflut“, findet auch in Deutschland ein Wandel statt: Beispielsweise die Initiativen der Degrowth-Bewegung bzw. Postwachstumskonzepte, die auf einem starken Nachhaltigkeitskonzept basieren. Aktuell durchdenken beispielsweise Tim Jackson, Niko Paech, Stephan Lessenich, Hartmut Rosa uvm. von Suffizienz geprägte Gesellschaftskonzepte, in denen materielles Wachstum eine wesentlich geringere bis gar keine Rolle mehr spielen soll. In den Modellen nutzen „Prosumenten“ (als Gegenentwurf des Konsumenten) Ressourcen nachhaltig, eignen sich Know-How zu Reparaturen, Recycling sowie Konservierung an und gestalten ihr Umfeld (wieder) aktiv mit. Wird das Einfache wiederentdeckt? Die eine Antwort auf die genannten Herausforderungen konnte das Symposium nicht bieten – stattdessen jedoch jede Menge Anregungen und Denkanstöße zur weiteren Reflexion.
[1] Mayer-Tasch ist als Referent, Publizist und Berater in der Ökologiebewegung tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind Politische Ökologie, Politische Rechtslehre und Politische Philosophie (mit Betonung der Kulturgeschichte und der Zivilisationsphilosophie).
[2] Gottwald, Franz-Theo; Malunat, Bernd M.; Mayer-Tasch, Peter Cornelius (2016): Die unerschöpfliche Kraft des Einfachen, Wiesbaden: Springer.
Headerfoto (v.l.n.r.): Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald, Prof. Dr. Peter Cornelius Mayer-Tasch, Karl Ludwig Schweisfurth
Suffizienz: Genügsam gut leben
„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse – aber nicht für jedermanns Gier.“ Mit diesem berühmten Satz hat Mahatma Gandhi das Prinzip der Suffizienz beschrieben. Suffizient leben bedeutet also: Nur das konsumieren, was man wirklich für ein zufriedenes Leben braucht.
Dieser Ansatz scheint auf den ersten Blick wenig ansprechend. Wer schränkt sich schon gerne freiwillig ein? Dabei kann der Verzicht auf Überflüssiges eine ganz neue Lebensqualität schaffen. Und: Suffizienz ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Sie gehört zu den erklärten Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen.
Umdenken – und andere überzeugen
Welche Gegenstände in meinem Besitz nutze ich regelmäßig, und welche sind überflüssig? Brauche ich wirklich ein eigenes Auto? Muss es immer das neueste Smartphone sein? Wer sich mit Suffizienz beschäftigt, wird zunächst sein eigenes Konsumverhalten kritisch hinterfragen. Ein wichtiger Schritt, aber ganzheitlich betrachtet nur ein erster Schritt. Damit sich der Gedanke der Suffizienz durchsetzt, braucht es übergreifende gesellschaftliche und politische Veränderungen. Wie einzelne zivilgesellschaftliche und politische Akteure hier aktiv werden können, welche Felder und Strategien sich anbieten, zeigt die digitale Landkarte Suffizienzpolitik von Angelika Zahrnt, BUND-Ehrenvorsitzende und Dominik Zahrnt, Gründer von (r)evolutionäre ideen.
Ein digitales Planungstool für Suffizienzprojekte
Die Landkarte Suffizienzpolitik ist ein webbasiertes Planungs-Werkzeug. Das Online-Tool hilft dabei, suffiziente Ansätze zu entwickeln und praktisch umzusetzen. Es führt Schritt für Schritt durch das komplexe Themenfeld Suffizienzpolitik. So unterstützt die Landkarte bei Kampagnen, Strategieprozessen oder Politikmaßnahmen. Auch Einsteigern in das Thema Suffizienz bietet die Landkarte einen wertvollen Überblick.
Sie interessieren sich für das Thema Suffizienz? Hintergrundinfos zu Suffizienz und zur digitalen Landkarte bietet der Artikel „Sehen, gehen, teilen“ von Angelika und Dominik Zahrnt, erschienen in der Zeitschrift Ökologisches Wirtschaften, Ausgabe 03/2016.