Flüsse vor Gericht?
„Wasser verstehen“ – unter diesem Motto fand am Weltwassertag, dem 22. März 2018, das Wasser-Symposium mit dem Titel „H2O + x“ in der Schweisfurth Stiftung statt. Der Tag bot vielfältig Perspektiven aus Naturschutz, Landwirtschaft und Kunst auf das Lebenselement – im Fokus stand am Anfang der Wasserschutz. Eine sehr beeindruckende Herangehensweise an das Thema zeigte ein Vortrag zur Weltsicht indigener Völker auf Wasser und deren Wasserschutz-Bestrebungen. Zum Beispiel haben Flüsse in Neuseeland, Indien oder Ecuador in den letzten Jahren gesetzliches Klagerecht erhalten und können vor Gericht vertreten werden. In Neuseeland zum Beispiel gemeinsam von Mitgliedern des Parlaments und Repräsentanten der Maoris. Wie kam es dazu? Welche Wirkung haben die Gesetze?
Der Klimawandel und die weitreichende Umweltzerstörung sind unbestritten. Die Vereinten Nationen, das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), der Club of Rome, sie alle warnen vor einer planetaren Katastrophe. Ein fundamentaler Wandel, eine Transformation des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur ist nötig, um die Grenzen des Planeten nicht zu überschreiten. Für die Vertreter der „rights of nature“ Bewegung heißt das, der Natur höchstmöglichen Schutz und höchsten gesellschaftlichen Wert zuzusprechen.
Rights of nature
Ziel ist es, der Natur weltweit juristisch einklagbare Rechte zu verleihen, diese anzuerkennen und zu verteidigen. Als Reaktion auf die enttäuschende Klimakonferenz in Kopenhagen 2009, fand 2010 in Cochabamba, Bolivien eine Klimakonferenz für die Zivilgesellschaft statt. Mehr als 32.000 Aktivisten, Wissenschaftler und Umweltschützer erarbeiteten damals die „Universelle Erklärung der Rechte der Natur“. In Ecuador und Bolivien sind solche Rechte der Natur bereits in der Verfassung verankert.
Pachamama, Mutter Erde, ist in der Verfassung Ecuadors als juristische Person anerkannt. Damit wird der Natur das Recht auf Respekt vor ihren Lebenszyklen, Strukturen, Funktionen und Entwicklungsprozessen zugesprochen. Seit 2014 ist in Ecuador die Privatisierung von Wasser verboten. Ebenso wenig kann Wasser Gegenstand einer kommerziellen Vereinbarung der nationalen Regierung mit einer anderen Regierung, eines multilateralen Abkommens oder eines privaten internationalen oder nationalen Unternehmens sein. Wasser soll ausschließlich ein öffentliches Gut sein. Das Gesetz bezieht sich auf die indigene Kosmovision, eine Weltanschauung, welche die Werte und Bräuche der Urvölker Ecuadors beschreibt. Integraler Bestandteil dieser Kosmo-Vision ist Buen Vivir.
Buen vivir als Gesellschaftsform
S.E. Jorge Jurado, ehemaliger Wasserminister von Ecuador (2008-2010), beschreibt das Konzept Buen Vivir so: „Das würdevolle oder gute Leben (Buen Vivir) ist für mich eine Gesellschaftsform, in der ich sicher bin, dass meine Bedürfnisse gedeckt sind, ohne dass dadurch Bedürfnisse anderer beeinträchtigt sind. Es bedeutet ein Leben in Einklang mit der Natur und in einer Gesellschaft, in der niemand zurückbleibt, wo genug für alle da ist und es niemandem an etwas fehlt.“
Wasser ist Teil des Naturerbes, ein Gut, das essentiell für das Leben ist und damit auch wesentlich für das würdevolle Leben gemäß dieser holistischen Kosmo-Vision. Eine Weltsicht, die auch vermehrt in ökologischen Debatten in Deutschland Einzug findet.
Wasserschutz in Deutschland
In Deutschland genießt Wasser noch keine juristischen Rechte, aber es gibt zahlreiche Verbände und NGOs, die sich für den Wasserschutz einsetzen. Die Schweisfurth Stiftung vergibt jedes Jahr den mit 20.000 Euro dotierten Wolfgang Staab-Naturschutzpreis für besondere Leistungen zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung in Fluss- und Auenlandschaften. Die Bewerbungsfrist für den Wolfgang Staab-Naturschutzpreis endet zum 1. Dezember des Vorjahres.