Wissen für die Wende
Solidarische Landwirtschaft (Solawi) ist aktueller denn je. Regionale Partnerschaften zwischen ErzeugerInnen und VerbraucherInnen bieten Antworten auf viele drängende gesellschaftliche Fragestellungen. Doch um die von LandwirtInnen und VerbraucherInnen gemeinschaftlich bewirtschafteten Felder zu bestellen, braucht es Wissen und Fertigkeiten, die oftmals fehlen. Die Schweisfurth Stiftung unterstützt deshalb zusammen mit der Margarethe Ammon Stiftung eine Gruppe Engagierter bei der Koordination und Finanzierung ihrer selbstorganisierten Gemüsebau -Ausbildung.
Mehr als nur satt werden
Das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V. listet auf seiner Website aktuell über 225 exisitierende und mehr als 30 in der Gründungsphase stehende Solawis in Deutschland. Immer mehr Menschen erkennen, dass hinter der Produktion von Lebensmitteln viel mehr steckt, als nur satt zu werden: Der Umgang mit Böden, der Einsatz von Ackergiften oder die Souveränität über die Produktion der eigenen Lebensmittel – um nur einige Beispiele zu nennen. Durch Solawi werden regionale, ökologische und saisonale Lebensmittel in fairen Partnerschaften erzeugt. Es werden lokale Kreisläufe geschlossen, das Klima geschützt und der persönliche Bezug zu Lebensmitteln gestärkt.
Wissen lässt wachsen
Aber auch die Bereiche Wissensvermittlung und -erwerb spielen eine zentrale Rolle. Denn nicht bei allen Solawis arbeiten ausgebildete Fachkräfte auf den Äckern. Und doch sind sie es, die letztendlich dafür verantwortlich sind, dass die Ernte für alle reicht. Viele von ihnen sind Quereinsteigende, die sich meist autodidaktisch die Abläufe rund um Gemüseanbau und -ernte aneignen. Gleichzeitig geben sie ihr Wissen an die Mitglieder bei gemeinsamer Pflanzung, Pflege und Ernte weiter.
SolaWie? DIY!
Dass gerade für nicht Ausgebildete das systematische erlernen der wichtigen Fähigkeiten zentral ist, liegt also auf der Hand. Aus Mangel an geeigneten Ausbildungsmöglichkeiten für QuereinsteigerInnen haben sich 16 Personen der Ausbildungsgruppe im Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V. dazu entschlossen, ihre Ausbildung eigenständig zu organisieren. Über die Dauer von 2,5 Jahren möchten sie in zehn viertägigen Seminaren Theorie und Praxis des ökologischen Gemüsebaus und spezifische Fragestellungen der Solawi behandeln. Die Margarethe Ammon Stiftung unterstützt sie unter der Koordination der Schweisfurth Stiftung dabei mit 5000€.
Insgesamt entsteht so die Möglichkeit einer Wissensbündelung und -vermittlung, die den Konzepten und Ideen der Solawi gerecht wird und Grundlagen für ihre Weiterentwicklung schafft. Damit wird eine Lücke geschlossen, die sich mit dem Wachsen der Solawi-Bewegung zunehmend bemerkbar macht.
Dies wird möglich durch das große Engagement der Ausbildungsgruppe und die Kooperation von
Themen: Agrarkultur, SDG#2, Solidarische Landwirtschaft, Stadt Land Tisch
Ein neues altes Konzept – die Solawi
Bisher nimmt die solidarische Landwirtschaft, kurz Solawi, nur eine Nische im gewerblichen Anbau von Gemüse und Ackerbau ein. Zum Weltbodentag 2016 am 5. Dezember können in Deutschland 117 Betriebe gezählt werden, die sich unter dem Begriff zusammenfassen lassen – von der Gemeinschaftsgärtnerei Wildwuchs in Gehrden im Umland von Hannover und dem Hof Hollergraben in Schönwalde, über den Lindenhof in Gelsenkirchen bis hin zum Kartoffelkombinat in München. Das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft hat sich zum Ziel gesetzt, die solidarische Landwirtschaft von seinem Nischendasein zu befreien, Neugründungen anzuregen und zu fördern sowie bestehende Höfe mit Rat und Tat zu unterstützen. Das basisdemokratische und partizipativ organisierte Netzwerk ist ein Zusammenschluss von Menschen, die sich für die Solawi engagieren und die Bewegung mitgestalten wollen.
Global, saisonal und genügsam zugleich?
Die Wiege der Solawi liegt in Japan, wo sie unter dem Namen Teikei bekannt ist. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Phänomen zunehmend ausgebreitet. Im englischsprachigen Raum ist es als Community Supported Agriculture kurz CSA und in Frankreich als Associations pour le maintien d’une agriculture paysanne (AMAP) bekannt. Weltweit lässt sich ein Wachstum der Bewegung verzeichnen, vornehmlich im Gemüseanbau. Um eine veritable Alternative zu werden, muss jedoch ein Umdenken auf breiterer Basis stattfinden, hin zu mehr Suffizienz. Suffizienz (lateinische sufficere) bedeutet in diesem Sinne freiwillig, also aus Einsicht, die Ressourcen zu schonen und sich auf das Notwendige zu beschränken. Die Beschränkung würde mit Blick auf die Solawi bedeuten, dass nicht alles immer verfügbar sein kann, sondern Lebensmittel je nach Saison angeboten werden.
Von Transparenz, Ressourcen und Verantwortung
Die Solawi für die Masse ist somit an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Sie erfordert neben der genannten Einsicht des Einzelnen eine Änderung des grundlegenden Wertemusters – weg von dem Streben nach Quantität hin zu mehr Qualität. Denn der Anbau jenseits der Massenproduktion ist zeit- und damit auch kostenintensiv. Bisher nicht kalkulierte Kosten durch Umweltverschmutzung oder soziale Missstände werden bei der Solawi allerdings berücksichtigt und somit durch Produktions- und Konsumänderungen vermeidbar. Die Produkte, zumeist ökologisch hergestellt, haben daher einen anderen Wert – in Bezug auf die Nährstoffdichte aber auch was die gesellschaftliche Verantwortung des Einzelnen für Mitmensch und Mitgeschöpfe angeht. Die regionale Produktion schont zudem Ressourcen, und das nicht nur durch kürzere Lagerung und Transportwege.