Die Preise an der Supermarktkasse lügen! Was kosten unsere Nahrungsmittel wirklich?
Sind unsere Lebensmittel zu billig? Wer zahlt den Verlust der Artenvielfalt, die Verschmutzung von Gewässern und die Folgen des Klimawandels? Und was kostet der Einsatz von Ackergiften wie zum Beispiel Glyphosat tatsächlich? Diese und ähnliche Fragen diskutierten Vertreter aus Politik, Wissenschaft, der Bio-Branche sowie dem Lebensmitteleinzelhandel auf der Biofach 2019. Die Diskussion zeigte deutlich: Die derzeitigen Lebensmittelpreise spiegeln die wahren Kosten bei weitem nicht wider, eine einfache Lösung hierfür gibt es jedoch nicht.
Studie deckt die wahren Kosten unsere Nahrungsmittel auf
Hintergrund der Diskussion stellt die von Tollwood München und der Schweisfurth Stiftung in Auftrag gegebene Studie „How much is the dish? – Was kosten uns Lebensmittel wirklich?“ dar. Diese deckt auf, dass die Preise für unsere Lebensmittel aktuell deutlich zu niedrig sind, da sie externe Kosten aus Umweltbelastungen nicht enthalten. Würden die Umweltfolgekosten einberechnet werden, müssten beispielsweise die Erzeugerpreise für tierische Produkte aus konventioneller Landwirtschaft dreimal so teuer sein (196 Prozent Aufschlag auf die Erzeugerpreise). Für biologisch-tierische Produkte errechnet die Studie lediglich einen Mehrpreis von 82 Prozent. Den geringsten Preisaufschlag ermittelt die Studie für Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs, wobei es auch hier einen deutlichen Unterschied zwischen konventionellen und biologischen Produkten gibt: Werden die Umweltfolgekosten berücksichtigt, müssten die Erzeugerpreise konventionell-pflanzlicher Produkte 28 Prozent, biologisch-pflanzlicher Produkte hingegen nur sechs Prozent teurer sein.
Damit offenbart die Studie eine erhebliche Fehlbepreisung, die zu einer Marktverzerrung zu Ungunsten des Ökolandbaus führt, erklärt Niels Kohlschütter, Geschäftsführer der Schweisfurth Stiftung: „Würden die Kosten der ökologischen Schäden der Lebensmittelproduktion eingepreist werden, würden sich die Preise für Bio-Lebensmittel kaum noch von denen für konventionell erzeugte unterscheiden.“
Verbraucher, Politik oder Erzeuger – wer steht in der Verantwortung?
Doch wer soll für die Preisdifferenz, die zwischen den derzeitigen Erzeugerpreisen und den wahren Kosten liegt, aufkommen bzw. wie kann es gelingen, dass die Umweltfolgekosten zukünftig in den Preisen berücksichtigt werden? Eine Abwälzung der Preisaufschläge auf die Verbraucher lehnt Jan Bock, Geschäftsleiter Einkauf bei Lidl Deutschland, vor allem im Hinblick auf die hohe Preissensibilität der Konsumenten ab. Zudem gewährleistet eine Erhöhung der Preise für den Endverbraucher nicht, dass sich gleichzeitig die Erzeugerpreise entsprechend verbessern. Auch Dr. Anton Hofreiter Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag von Bündnis 90 / Die Grünen, sieht vorrangig nicht die Verbraucher in der Pflicht, sondern vielmehr die Politik. Seiner Meinung nach ist der größte Hebel eine an ökologischen Kriterien ausgerichtet Agrarpolitik. Daneben sollte der Verbraucher transparent und umfassend über die wahren Kosten informiert werden. Eine Möglichkeit dies in der Praxis umzusetzen sieht Kohlschütter im Wesentlichen in folgenden Maßnahmen: „Wir brauchen Transparenz über die wahren Kosten, die bei der Lebensmittelproduktion für die Allgemeinheit entstehen – zum Beispiel in Form eines zweiten Preisschildes, dass die Preise inklusive der Umweltfolgekosten zeigt. Außerdem müssen wir die Landwirte dabei unterstützen, alle Preise der Erzeugung zu erfassen, um so die Kostentransparenz zu erhöhen.“ Dr. Tobias Gaugler, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Uni Augsburg und Leiter der Studie, sieht darin vor allem die Möglichkeit die Verbraucher hinsichtlich der Problematik der wahren Kosten zu sensibilisieren. Diesen weist er nämlich durchaus Verantwortung zu: Denn um die Umlegung der wahren Kosten auf nächste Generationen zu vermeiden, muss die Bereitschaft bestehen höhere Preise zu zahlen. Zusätzlich ist es seiner Meinung nach notwendig viel früher in die Nahrungsmittelkette einzugreifen und mit geeigneten Maßnahmen, wie zum Beispiel einem restriktiveren Umgang mit Pestiziden, die Umweltfolgekosten zu minimieren.
Die Diskussion zeigte, wie komplex die Einpreisung der wahren Kosten ist und dass es keine einfache Lösung dafür gibt. Einig waren sich die Diskutanten jedoch in einem Punkt: Es besteht dringender Handlungsbedarf und die Berechnung der wahren Kosten ist immerhin ein erster notwendiger Schritt in die richtige Richtung.