Garteln in der Stadt: Interview mit Britta-Marei Lanzenberger

Die Gartensaison 2016 hat begonnen! Rund 50.000 Münchnerinnen und Münchner garteln in den unterschiedlichen gemeinschaftlich organisierten Urbanen Gärten. Aktuell werden Samen und Setzlinge getauscht und neue Pflanzen gezogen. Wir haben zu Saisonbeginn mit Britta-Marei Lanzenberger gesprochen, die das Projekt Urbane Gärten München koordiniert, welches u.a. durch die Schweisfurth Stiftung gefördert wird.

Schweisfurth Stiftung: Das „Netzwerk Urbane Gärten München“ wurde 2011 initiiert. Was war der Anlass für die Gründung der Initiative?

Britta-Marei Lanzenberger: Die BürgerStiftung München hatte damals festgestellt, dass sowohl sie, als auch die Selbach-Umwelt-Stiftung, teilweise in Kooperation mit dem Referat für Umwelt und Gesundheit, Schulgärten gefördert hatte. Gleichzeitig förderte die BürgerStiftung gemeinsam mit der anstiftung & ertomis einen interkulturellen Garten in München. Da der Stiftungszweck teilweise inhaltlich mit der Schweisfurth Stiftung und der Gregor Louisoder Umweltsstiftung übereinstimmte, bot es sich an, diese Überschneidungen auch durch eine gemeinsame Förderung zu einem größeren Schwerpunkt zusammenzubinden. Dieser ist die Förderung von Urbanen Gärten in München. Dazu gehört Öffentlichkeitsarbeit, politische Arbeit, Netzwerkarbeit und Bildungsarbeit.

Was konnte in den vergangenen fünf Jahren durch die Arbeit des Netzwerks erreicht werden?  

Es wurde eine Webseite erstellt, die alle Informationen zu Urbanen Gärten enthält. Es gab eine Recherche als Bestandsaufnahme aller Gärten in München – also Urbane Gärten, Schulgärten, therapeutische Gärten, Kleingärten, Krautgärten, deren Standorte auf einer differenzierten Karte auf der Webseite dargestellt wurde. Es wurden und werden Treffen und runde Tische mit den verschiedenen Gartengruppen organisiert; jährlich zwei Netzwerktreffen, zu denen alle Gärten eingeladen werden. Ein Kongress in der Technischen Universität München zum Thema und seine vielen ökologischen, sozialen und Bildungs- und Klimafunktionen fand großen Anklang. Als größtes Problem in München stellt sich nach wie vor die Frage nach Flächen, es gibt mehr Nachfrage als Angebot. Ein Gespräch mit der Stadtbaurätin wurde gesucht, verschiedene Referate eingebunden, ein Ansprechpartner gefunden. Das Netzwerk präsentiert sich und die Gärten regelmäßig auf öffentlichen Veranstaltungen, wie dem Saatgutfestival, dem Streetlife Festival oder dem PARKing Day. Es ist wichtig, der Öffentlichkeit aufzuzeigen, wie viele Gärten es in München gibt und welche Aufgaben sie haben. Dazu haben wir einen Strukturplan erstellt, der die Bedeutung von Gärten in der Stadt aufzeigt.

Wo sehen Sie aktuelle und zukünftige Herausforderungen für das „Netzwerk Urbane Gärten München“? 

Die größte Herausforderung ist die zunehmende Verdichtung der Stadt. Grundstücke werden immer rarer und teurer. Es geht dabei ja nicht nur um Flächen zum gemeinsamen Gärtnern sondern um Freiflächen überhaupt. Freiflächen bedeutet für uns eben nicht nur professionell gestaltete Flächen zur vorgeschrieben Nutzung sondern ungestaltete Flächen, die den BürgerInnen zur Verfügung stehen, um sie selber nach ihren Wünschen und Bedürfnissen völlig frei zu gestalten – oder vielleicht gar nicht gestalten – zu können. Um dieser Forderung Nachdruck zu geben, müssten sich aber die GärtnerInnen zusammenschließen und ihr Tun als gesellschaftlich-politische Handlung wahrnehmen. Das ist leider bisher kaum der Fall. Da wir in einer konsumorientierten Wohlstandgesellschaft leben, haben wir nicht wie in anderen Ländern (z.B. Kuba) den Druck, uns selber um die Herkunft von unseren Lebensmitteln zu kümmern. Das Gärtnern ist eine Art Luxusbeschäftigung. Wie wichtig diese Beschäftigung aber für unsere seelische Gesundheit ist, erkennen erst ganz wenige Menschen.

Was würden Sie sich wünschen? 

Ich wünsche mir, dass die Bedeutung und die positiven Einflüsse von Urbanen Gärten von der Stadtpolitik mehr wahrgenommen und anerkannt werden. Gartenflächen dürfen nicht als Konkurrenz zu Bauflächen wahrgenommen werden. Von den einzelnen Gärten – also den Gärtnerinnen und Gärtnern – wünsche ich mir, dass sie selber mehr über ihre Beetränder hinausschauen und ihr Tun – wie schon oben genannt – als gesellschaftlich wichtigen Beitrag erkennen. Dazu gehört auch mehr Vernetzung und Zusammenhalt untereinander.

Mit welchen Problemen sind die Gärtnerinnen und Gärtner, sowie die Gärten an sich, konfrontiert? Gibt es Vandalismus oder Diebstahl?  

Erfahrungsgemäß gibt es die größten Probleme innerhalb der Gartengruppen – da sind immer Menschen, die sehr aktiv sind und viel für die Gemeinschaft tun, und solche, die sich weniger engagieren und vielleicht nicht so gemeinschaftsorientiert handeln. Häufig sind die Hauptverantwortlichen überfordert und ziehen sich irgendwann zurück. Wenn es einen starken Wechsel bei den GärtnerInnen gibt, ist es schwierig, die Gruppe aufrecht zu erhalten und die neuen immer wieder einzubinden. Es gibt auch Fälle von Diebstahl, das kommt auch auf die Lage und Gestaltung der Gärten an. Man muss damit rechnen, dass mal ein Kohlkopf geklaut wird – bei uns waren es letztes Jahr allerdings alle 10 auf einen Schlag, das ist dann schon ärgerlich. Vandalismus ist glücklicherweise sehr selten.

Wie kann der interessierte Münchner Bürger mitgärtnern oder selbst einen Garten im urbanen Raum gründen? An wen kann ich mich wenden, wenn ich aktiv werden möchte?

Am besten auf unserer Webseite informieren. Da sind alle Gärten mit Ansprechpartner aufgelistet und beschrieben. Ein Garten sollte möglichst in der Nähe der Wohnung liegen oder auf dem Weg zum Arbeitsplatz, sonst geht die Lust daran schnell verloren. Dann sollte man prüfen, ob einem der Garten, das Konzept und die Menschen dort ansprechen. Möchte man selber einen Garten gründen, sollte eine Fläche vorhanden sein und möglichst auch Mitmacherinnen. Konkrete Unterstützung bei Gründung und Umsetzung gibt die anstiftung.

Welche Veranstaltungen und Aktionen sind vom Netzwerk in diesem Jahr geplant?  

Am 26.6.2016 ist Tag der Offenen Gartentür, an dem sich einige Gärten in München beteiligen. Am 17.7.2016 wird es eine Fahrradtour durch die Urbanen Gärten im Osten von München geben. Im September werden wir wieder am Streetlifefestival teilnehmen. Und am 11. November 2016 findet wieder unser Netzwerktreffen statt.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Britta-Marei-Lanzenberger
betreut seit Mai 2014 das Projekt „Netzwerk Urbane Gärten München“ und engagiert sich selbst im WerkBox³-Kultgarten. Das Netzwerk-Projekt geht auf eine Initiative von fünf Stiftungen, darunter die Schweisfurth Stiftung, im Jahr 2011 zurück. Es wird zudem durch das Münchner Referat für Gesundheit und Umwelt gefördert. Mehr Informationen zur Münchner Stiftungsinitiative für Urbanes Gärtnern finden Sie in unserer Projektbeschreibung.

Zum anschaun und mitmachen:

Großstadtgärtner in der BR-Mediathek: Ein Film von Julia Seidl
Einladung zur Webinar-Reihe der anstiftung: Kompost- und Trockentrenntoiletten für Gemeinschaftsgärten

Mehr grün wagen: Stiftungsinitiative für Urbanes Gärtnern

Gibt es in meiner Nähe einen Gemeinschaftsgarten? Wo bekomme ich Tipps, um eigenen Kompost herzustellen? Und kann mir jemand sagen, wo es gutes Saatgut gibt? Die Stiftungsinitiative für Urbanes Gärtnern bietet Antworten und vernetzt Selbstversorger und Gärtner in und um München.

Es grünt!
Um die 50.000 Münchnerinnen und Münchner sind bereits in unterschiedlich gemeinschaftlich organisierten Gärten in und um München aktiv. Die Vielfalt an städtischen Nutzgärten ist groß und die Nachfrage nach ihnen wächst. Dabei treffen traditionelle Formen des Gärtnerns auf neue, sozial innovative Nutzungskonzepte. Das Ergebnis sind Gemeinschafts-, Nachbarschafts- und Krautgärten, aber auch Interkulturelle, Pädagogische und Therapeutische Konzepte. Dazu kommen Schul- und Experimentier-, sowie Kleingärten. Alle Projekte bilden neue Räume der Begegnung, des Selbermachens und der Integration. Dabei sensibilisieren die Gärten die Stadtbewohner für lokale Lebensmittel und ihre Qualität.
Die Stiftungsinitiative für urbanes Gärtnern setzt sich seit 2011 für die Anerkennung und Ausweitung dieser neuen Formen des urbanen Gärtnerns in München ein und sorgt dafür, dass die Akteure im Großstadtdschungel zueinanderfinden.

Gemeinsam den Austausch fördern
Die Initiative bringt gemeinsam das Thema “Mehr Gärten in der Stadt” voran. Dazu haben sich die Schweisfurth Stiftung, die Bürgerstiftung München, die Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis, die Selbach Umweltstiftung und die Gregor Louisoder Umweltstiftung zusammengeschlossen. Das Projekt wird zudem durch das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München unterstützt. Die Aufgaben sind die Vernetzung der urbanen Gärten, Öffentlichkeitsarbeit, politische Arbeit, die Organisation von Netzwerktreffen und Workshops, sowie die Betreuung des eigens entwickelten Internetportals.

Onlineplattform der Urbanen Gärten
Für die Arbeit wurde im Auftrag der Stiftungsinitiative eine Bestandsaufnahme der urbanen Gartenaktivitäten in und um München durchgeführt. Die Ergebnisse sind in die Entwicklung des Internetportals geflossen, welches seit Januar 2013 online ist. Das Portal stellt alle urbanen Gärten und Aktivitäten, sowie das Netzwerk von Organisationen aus dem Bereich urbane Landwirtschaft und Stadtökologie vor. Zudem gibt es Hintergrundinformationen, einen Terminkalender, ein Forum und ein „Schwarzes Brett“, auf dem zum Beispiel Pflanzen, Geräte oder Grundstücke angeboten und gesucht werden können. Außerdem verlinkt das Internetportal der Initiative auf eine eigene Übersichtskarte, auf der alle urbanen Gärten in München verzeichnet werden.

 

Kurz-gut

Projektname: Stiftungsinitiative für Urbanes Gärtnern
Startschuss:
2011
Status:
läuft
Wirkungskreis:
lokal
Zielgruppe:
Urbane Gärten in und um München, GärtnerInnen, Interessierte
Maßnahme:
Gründungsmitglied der Stiftungsinitiative
Ansprechpartnerin:
Britta-Marai Lanzenberger, Bürgerstiftung München
Mehr unter:
http://urbane-gaerten-muenchen.de/

Da wächst was! Netzwerktreffen Urbaner Gärnter

Die Stadt München wird immer mehr verdichtet, Grundstücke teurer und Brachflächen seltener. Somit werden Urbane Gärten immer wichtiger, deren Gestaltung umso schwieriger. „Wie wichtig sind Urbane Gärten in der Stadt? Wie wichtig nehmen wir uns?“ Zu diesem Thema hat die Stiftungsinitiative für urbanes Gärtnern am 31. Oktober 2015 zum vierten Netzwerktreffen eingeladen. Rund 25 TeilnehmerInnen, die in unterschiedlichen Gartenprojekten wie Nachbarschafts-, Kraut- oder Experimentiergärten aktiv sind, nahmen trotz bestem Gartenwetter am Vernetzungstreffen im ÖBZ teil. Auch zwei Interessierte, die bisher noch in keinem Gartenprojekt organisiert waren, sind der Einladung gefolgt.

„Bauflächen entstehen, auch wenn man sich nicht um sie kümmert! Freiflächen verschwinden, wenn man sich nicht um sie kümmert.“

Selbstverständnis Urbanes Gärtnern
Schon 1932 formulierte der hamburgische Oberbaudirektor Fritz Schumacher das Problem der Stadtverdichtung treffend, wie gegenwärtig beim drohenden Aus für die Münchner Gärten der Kulturen deutlich wird. Unter diesem Eindruck wurde die Frage „Wie wichtig sind Urbane Gärten in der Stadt? Wie wichtig nehmen wir uns?“ in der Gruppe diskutiert. Dabei stellte Dr. Christa Müller von der Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis heraus, dass das Gärtnern in der Stadt immer auch ein Politikum darstelle. Viele Urbane Gärten besitzen gegenwärtig keine Planungssicherheit, da die Nutzung der Grundstücke nicht immer langfristig durch die Stadt gesichert wird. GärtnerInnen dürfen deswegen aber nicht als Bittsteller auftreten, betonte Barbara Wolter von der Bürgerstiftung München. Immerhin tragen Urbane Gärten zur Verbesserung der Umwelt bei, fördern ein soziales Miteinander und die Gesundheit. Außerdem sind die Gärten ein wichtiger Bildungsfaktor und ermöglichen eine positive Zivilgesellschaft. Sie fördern beispielsweise Kreativität und Engagement. Diese Leistungen müssen stärker gesehen und durch die BürgerInnen, Politik und Verwaltung wertgeschätzt werden, sind sich die TeilnehmerInnen des Netzwerktreffens einig.

Gestaltung von Begegnungsräumen
Dazu kann eine bessere Vernetzung unter den verschiedenen Urbanen Gärten beitragen. Wichtig dafür ist, dass die Informationen aus den einzelnen Garteninitiativen an Britta-Marei Lanzenberger weitergeleitet werden, die das Projekt für die Stiftungsinitiative koordiniert und die Homepage betreut. Andererseits müsse das Internetportal der Stiftungsinitiative unter den aktiven GärtnerInnen und Interessierten bekannter gemacht werden. Eine andere Frage ist: Wie bekommt man die unterschiedlichen Stadtreferate an einen Tisch, die für Urbane Gärten zuständig sind? Dieser Frage wird eine auf dem Netzwerktreffen gebildete Strukturgruppe nachgehen. Bis zum nächsten Treffen im März 2016 sollen konkrete Vorschläge zur Lösung ausgearbeitet werden.

 

Gärten sehen: Wie in München ganz konkret Urbane Gärten gestaltet werden, wird in diesem kurzen Film am Beispiel des Kultgartens am Ostbahnhof veranschaulicht.

Gärten entdecken: Das Internetportal der Stiftungsinitiative für urbanes Gärtnern stellt alle urbanen Gärten in und um München, Hintergrundinformationen, einen Terminkalender, ein Forum und „Schwarzes Brett“ als Vernetzungsplattform zur Verfügung.

Gärten hören: Der Radiobeitrag von Radio Lora mit Ella von der Haide, Anja vom Kultgarten, Daniel von o´pflanzt is und Silvia Gonzales von GreenCity e.V. auf dem YouTube-Kanal der Stiftungsinitiative.