Stadt und Land: So fern und doch so nah!
Hektisches Treiben auf der einen Seite, ruhiges Idyll auf der anderen? So unterschiedlich Stadt und Land auch scheinen mögen, sie stehen in enger Beziehung zueinander, sind aufeinander angewiesen. Letzteres gilt insbesondere wenn es um die Themen Wasser-, Klima- und Artenschutz geht. Die Zusammenhänge zwischen Stadt und Land sind jedoch häufig nicht offensichtlich erkennbar und werden daher oftmals unterschätzt. Ein Grund für das Team des Projektes WERTvoll, das die Schweisfurth Stiftung 2018 zusammen mit der Stadt Leipzig, dem Wurzener Land, der Hochschule Trier, dem Institut für Nachhaltige Landbewirtschaftung sowie dem Wassergut Canitz ins Leben gerufen hat, hinter die Kulissen zu schauen und die auf den ersten Blick nicht erkennbaren Verbindungen zwischen Stadt und Land im Rahmen einer Kurzfilmreihe sichtbar zu machen.
Es kann nur gemeinsam gehen
„Stadt und Land werden häufig als getrennt voneinander wahrgenommen. Doch wenn es um die nachhaltige Entwicklung einer Region geht, braucht es eine enge Stadt-Land-Beziehung. Mit den Kurzfilmen zeigen wir, wie Akteur:innen von Stadt und Land im Hinblick auf Wasser-, Klima-, und Artenschutz zusammenarbeiten, die zunächst einmal als voneinander unabhängig gesehen werden. Wir machen deutlich, dass Stadt und Land gerade bei diesen Themen aufeinander angewiesen sind und machen diese komplexen Zusammenhänge anhand beispielhafter Stadt-Land-Paare greifbar und verständlich“, erklärt Arian Gülker, Projektmanager der Schweisfurth Stiftung.
So dreht sich der erste Kurzfilm um Landwirt Robert Hörig aus Thallwitz im Wurzener Land und Herrn Heiko Schulze, Mitarbeiter der Qualitätskontrolle der Wasserwerke in Leipzig. Was die beiden miteinander verbindet? Auf den ersten Blick nicht viel. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich: Sowohl Herr Hörig als auch Herr Schulze leisten mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag für eine hohe Qualität und Reinheit des Wassers – wie genau, und was Trinkwasserschutz und Landwirtschaft miteinander zu tun haben, erfahren Sie hier:
Der zweite WERTvoll Kurzfilm handelt von neuen Wegen der Kooperation im regionalen Handel. Die Gemüsekooperative KoLa Leipzig, die vor den Toren der Stadt Bio-Gemüse für ihre Mitglieder anbaut, hat mit der Konsumgenossenschaft Leipzig einen Partner gefunden, der mit seinen Märkten die Infrastruktur für eine Abholung der Gemüsekisten liefert. Vor Ort können die Abholenden im Markt ihren Bedarf an weiteren Waren decken. Dort wird auch überschüssiges Gemüse von KoLa Leipzig regulär verkauft. So profitieren beide Seiten von dieser Kooperation. Weitere Eindrücke der Partnerschaft finden Sie im Video.
Nicht nur Landwirt:innen und Wasserversorger sind in ihrer Arbeit aufeinander angewiesen. Lernen Sie noch mehr Stadt-Land-Paare kennen. Von der Veröffentlichung neuer WERTvoll Short Stories erfahren Sie auf der Projektseite WERTvoll.
Resilient, kooperativ und regional: Die Solidarische Landwirtschaft – ein Zukunftsmodell?
Wir brauchen eine sozial-ökologische Transformation. Denn: Die Klimakrise macht uns die Herausforderungen der jetzigen Wirtschaftsweise bewusst. Und die Pandemie-Krise verdeutlicht die menschgemachten Probleme, wie soziale und ökonomische Ungerechtigkeiten, zusätzlich. Ein Weiter so ist keine Option. Doch wie könnten Alternativen aussehen? Im Bereich Land- und Lebensmittelwirtschaft erfährt das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft einen immer größeren Zulauf. In der direkten und kooperativen Zusammenarbeit von VerbraucherInnen und ErzeugerInnen wird ein vielversprechendes Zukunftsmodell gesehen. Was zeichnet die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) aus? Welche Erkenntnisse sind übertragbar? Ein Gespräch mit Stephanie Wild vom Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V.:
Aktuell gibt es eine breite Diskussion darüber, wie die Weichen für eine sozial-ökologische Transformation gestellt werden können. Wie können SoLaWis dazu beitragen bzw. was kann von diesem Konzept gelernt werden?
„SoLaWis müssen als Erfahrungsräume verstanden werden. Sie zeigen, wie und vor allem das ein anderes Wirtschaften, sprich eine umweltverträgliche, kooperative Wirtschaftsweise, möglich ist. Damit demonstrieren die SoLaWis: Eine andere Art der (Land-) Wirtschaft ist nicht nur eine schöne Theorie, sondern wir können diese schon jetzt umsetzen. Das motiviert und macht all denen Mut, die mit unterschiedlichen Projekten aktiv den Wandel gestalten und vorantreiben. Außerdem machen die SoLaWis die komplexen Zusammenhänge unseres jetzigen Wirtschafts- und Agrarsystems erfahr- und damit begreifbar, z.B. erleben die Mitglieder einer SoLaWi die teils konterkarierende politische Rahmenbedingungen. Gleiches gilt für die Auswirkungen des Klimawandels. Die Mitglieder der SoLaWis erfahren unmittelbar, was z.B. Dürre mit ihrer Ernte und damit mit ihrem Speiseplan macht. Dieses Verständnis ist Voraussetzung für aktives Engagement.
Lebensmittelsicherheit dank regionaler Wertschöpfungsketten – diese und ähnliche Überschriften konnte man in letzter Zeit häufig lesen. SoLaWis stehen für regionale Wertschöpfung – doch was bedeutet das genau?
„Gerade jetzt ist Regionalität eine wesentliche Stärke für die SoLaWis. Sie sind bislang kaum von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise betroffen. Aktuell zeigt sich deutlich: Durch die kurzen geschlossenen Kreisläufe und das Prinzip der Selbstversorgung sind die SoLaWis widerstandsfähig, wenn äußere Systeme nicht mehr funktionieren. Sinn und Zweck der SoLaWis ist die nachhaltige und regionale Grundversorgung. D.h. wir plädieren für die Erhöhung des Selbstversorgungsgrads. Wir sind aber durchaus für Produktvielfalt und damit für den globalen Handel. So gibt es bspw. SoLaWis, die mit ähnlich organisierten Kooperativen in anderen Ländern zusammenarbeiten und von diesen Produkte wie Olivenöl und Orangen beziehen. Hier geht es darum, eine richtige Balance zu finden und ein faires Miteinander zu ermöglichen.“
VerbraucherInnen und LandwirtInnen haben sich stark voneinander entfernt. VerbraucherInnen können Herstellung und Verteilung der Lebensmittel kaum noch nachvollziehen. In den SoLaWis wird die Möglichkeit gesehen beide „Parteien“ wieder zusammenzubringen. Wie sehen Sie das?
„Durch das Konzept der SoLaWis wird eine gemeinsame Gesprächsbasis für LandwirtInnen und VerbraucherInnen geschaffen. Sie sprechen miteinander, nicht übereinander. Aktuell ist es in der Regel so, dass VerbraucherInnen über die Arbeit der LandwirtInnen nur über Dritte, sprich über Medien, erfahren. In den SoLaWis wird der direkte Informationsaustausch gefördert. Außerdem entsteht Verbindlichkeit zwischen den beiden Parteien: Die Mitglieder wollen nachvollziehen, wie die Beiträge investiert werden. Die ErzeugerInnen machen ihre Arbeit deshalb transparent – von der Aussaat bis zur Ernte. Dadurch wird der Aufwand der Lebensmittelerzeugung deutlich. SoLaWis tragen so zur Steigerung der Wertschätzung für die Arbeit der LandwirtInnen bei.“
Das Thema Ernährungssouveränität beschäftigt die Schweisfurth Stiftung schon sehr lange, gerade ist es wieder top aktuell. Welche Rolle nehmen SoLaWis hier ein?
„In den SoLaWis bestimmen die Erzeuger was angebaut wird. Oder besser gesagt: Es wird vom Boden her gedacht. Seine natürliche Beschaffenheit gibt vor, wie er bewirtschaftet wird. Im Rahmen des jetzigen Agrarsystems wird jedoch vom Produkt bzw. der Nachfrage aus gedacht und entsprechende Rahmenbedingungen gesetzt. Diese sind wenig flexibel und werden den unterschiedlichen Gegebenheiten in den verschiedenen Regionen oftmals nicht gerecht. Dies erschwert die Arbeit der LandwirtInnen enorm. Ein weiterer Aspekt ist, dass in den SoLaWis eine kostendeckende Erzeugung garantiert ist, d.h. die LandwirtInnen haben ausreichend finanzielle Mittel, um natur- und umweltverträglich arbeiten zu können. Dies ist in unserem jetzigen Agrarsystem leider nicht der Fall, aber definitiv eine wichtige Voraussetzung für Ernährungssouveränität.“
Was ist Solidarische Landwirtschaft?
In der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) tragen mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten. Durch den persönlichen Bezug zueinander erfahren sowohl die ErzeugerInnen als auch die VerbraucherInnen die vielfältigen Vorteile einer nicht-industriellen, marktunabhängigen Landwirtschaft (siehe https://www.solidarische-landwirtschaft.org/startseite/). In der Praxis finden sich vielfältige Konzepte der SoLaWi , die sich danach unterscheiden lassen, wer sie führt: ErzeugerInnen, (producer-led), die Gemeinschaft (community-led), ErzeugerInnen und VerbraucherInnen (producer-community partnerships) oder die Eigentümer-Gemeinschaft eines Hofes (Community-owned farms).
Resilient, kooperativ und regional: Die Solidarische Landwirtschaft – ein Zukunftsmodell?
Wir brauchen eine sozial-ökologische Transformation. Denn: Die Klimakrise macht uns die Herausforderungen der jetzigen Wirtschaftsweise bewusst. Und die Pandemie-Krise verdeutlicht die menschgemachten Probleme, wie soziale und ökonomische Ungerechtigkeiten, zusätzlich. Ein Weiter so ist keine Option. Doch wie könnten Alternativen aussehen? Im Bereich Land- und Lebensmittelwirtschaft erfährt das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft einen immer größeren Zulauf. In der direkten und kooperativen Zusammenarbeit von VerbraucherInnen und ErzeugerInnen wird ein vielversprechendes Zukunftsmodell gesehen. Was zeichnet die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) aus? Welche Erkenntnisse sind übertragbar? Ein Gespräch mit Stephanie Wild vom Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V.:
Aktuell gibt es eine breite Diskussion darüber, wie die Weichen für eine sozial-ökologische Transformation gestellt werden können. Wie können SoLaWis dazu beitragen bzw. was kann von diesem Konzept gelernt werden?
„SoLaWis müssen als Erfahrungsräume verstanden werden. Sie zeigen, wie und vor allem das ein anderes Wirtschaften, sprich eine umweltverträgliche, kooperative Wirtschaftsweise, möglich ist. Damit demonstrieren die SoLaWis: Eine andere Art der (Land-) Wirtschaft ist nicht nur eine schöne Theorie, sondern wir können diese schon jetzt umsetzen. Das motiviert und macht all denen Mut, die mit unterschiedlichen Projekten aktiv den Wandel gestalten und vorantreiben. Außerdem machen die SoLaWis die komplexen Zusammenhänge unseres jetzigen Wirtschafts- und Agrarsystems erfahr- und damit begreifbar, z.B. erleben die Mitglieder einer SoLaWi die teils konterkarierende politische Rahmenbedingungen. Gleiches gilt für die Auswirkungen des Klimawandels. Die Mitglieder der SoLaWis erfahren unmittelbar, was z.B. Dürre mit ihrer Ernte und damit mit ihrem Speiseplan macht. Dieses Verständnis ist Voraussetzung für aktives Engagement.
Lebensmittelsicherheit dank regionaler Wertschöpfungsketten – diese und ähnliche Überschriften konnte man in letzter Zeit häufig lesen. SoLaWis stehen für regionale Wertschöpfung – doch was bedeutet das genau?
„Gerade jetzt ist Regionalität eine wesentliche Stärke für die SoLaWis. Sie sind bislang kaum von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise betroffen. Aktuell zeigt sich deutlich: Durch die kurzen geschlossenen Kreisläufe und das Prinzip der Selbstversorgung sind die SoLaWis widerstandsfähig, wenn äußere Systeme nicht mehr funktionieren. Sinn und Zweck der SoLaWis ist die nachhaltige und regionale Grundversorgung. D.h. wir plädieren für die Erhöhung des Selbstversorgungsgrads. Wir sind aber durchaus für Produktvielfalt und damit für den globalen Handel. So gibt es bspw. SoLaWis, die mit ähnlich organisierten Kooperativen in anderen Ländern zusammenarbeiten und von diesen Produkte wie Olivenöl und Orangen beziehen. Hier geht es darum, eine richtige Balance zu finden und ein faires Miteinander zu ermöglichen.“
VerbraucherInnen und LandwirtInnen haben sich stark voneinander entfernt. VerbraucherInnen können Herstellung und Verteilung der Lebensmittel kaum noch nachvollziehen. In den SoLaWis wird die Möglichkeit gesehen beide „Parteien“ wieder zusammenzubringen. Wie sehen Sie das?
„Durch das Konzept der SoLaWis wird eine gemeinsame Gesprächsbasis für LandwirtInnen und VerbraucherInnen geschaffen. Sie sprechen miteinander, nicht übereinander. Aktuell ist es in der Regel so, dass VerbraucherInnen über die Arbeit der LandwirtInnen nur über Dritte, sprich über Medien, erfahren. In den SoLaWis wird der direkte Informationsaustausch gefördert. Außerdem entsteht Verbindlichkeit zwischen den beiden Parteien: Die Mitglieder wollen nachvollziehen, wie die Beiträge investiert werden. Die ErzeugerInnen machen ihre Arbeit deshalb transparent – von der Aussaat bis zur Ernte. Dadurch wird der Aufwand der Lebensmittelerzeugung deutlich. SoLaWis tragen so zur Steigerung der Wertschätzung für die Arbeit der LandwirtInnen bei.“
Das Thema Ernährungssouveränität beschäftigt die Schweisfurth Stiftung schon sehr lange, gerade ist es wieder top aktuell. Welche Rolle nehmen SoLaWis hier ein?
„In den SoLaWis bestimmen die Erzeuger was angebaut wird. Oder besser gesagt: Es wird vom Boden her gedacht. Seine natürliche Beschaffenheit gibt vor, wie er bewirtschaftet wird. Im Rahmen des jetzigen Agrarsystems wird jedoch vom Produkt bzw. der Nachfrage aus gedacht und entsprechende Rahmenbedingungen gesetzt. Diese sind wenig flexibel und werden den unterschiedlichen Gegebenheiten in den verschiedenen Regionen oftmals nicht gerecht. Dies erschwert die Arbeit der LandwirtInnen enorm. Ein weiterer Aspekt ist, dass in den SoLaWis eine kostendeckende Erzeugung garantiert ist, d.h. die LandwirtInnen haben ausreichend finanzielle Mittel, um natur- und umweltverträglich arbeiten zu können. Dies ist in unserem jetzigen Agrarsystem leider nicht der Fall, aber definitiv eine wichtige Voraussetzung für Ernährungssouveränität.“
Was ist Solidarische Landwirtschaft?
In der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) tragen mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten. Durch den persönlichen Bezug zueinander erfahren sowohl die ErzeugerInnen als auch die VerbraucherInnen die vielfältigen Vorteile einer nicht-industriellen, marktunabhängigen Landwirtschaft (siehe https://www.solidarische-landwirtschaft.org/startseite/). In der Praxis finden sich vielfältige Konzepte der SoLaWi , die sich danach unterscheiden lassen, wer sie führt: ErzeugerInnen, (producer-led), die Gemeinschaft (community-led), ErzeugerInnen und VerbraucherInnen (producer-community partnerships) oder die Eigentümer-Gemeinschaft eines Hofes (Community-owned farms).
Gemeinsam ackern: Solidarische Landwirtschaft zum 2. Mal im politischen Berlin
Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) – hier ackern VerbraucherInnen und LandwirtInnen gemeinsam. Die Vorteile dabei liegen auf der Hand: Transparenz über Herkunft und Art der Erzeugung der Lebensmittel, Unabhängigkeit von Marktpreisen sowie geteiltes Risiko bei schlechter Ernte, Planungssicherheit bei Produktion und Abnahme. Doch damit es nicht bei den heute rund 260 Leuchtturmprojekten bleibt, sondern das erfolgreich in der Praxis erprobte Konzept der Solidarischen Landwirtschaft auch im ländlichen Raum Verbreitung findet, braucht es Veränderungen bei den politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen. Denn diese sind bisher zumeist auf die industrialisierte Landwirtschaft ausgerichtet und können eine kleinbäuerliche Landwirtschaft erschweren. Welche konkreten Schritte dafür notwendig sind, wurde auf dem zweiten Fachtag des Netzwerkes Solidarische Landwirtschaft diskutiert. Mit dabei: Dr. Niels Kohlschütter, Vorstand der Schweisfurth Stiftung.
Agrarpolitik muss zukunftsfähige Konzepte fördern, nicht konterkarieren
Ziel des jährlich stattfindenden Fachtages des Netzwerkes Solidarische Landwirtschaft ist es, in den Dialog mit Politik und Forschung zu treten und das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft weiter bekannt zu machen. Der Fokus wurde dieses Jahr auf zwei Fragen gelegt: Was macht den „Mehrwert“ der Solidarischen Landwirtschaft für die Gesellschaft aus? Welche politischen und institutionellen Änderungen sind notwendig, um alternative Konzepte zur industriellen Landwirtschaft zu fördern? Im Zentrum der Diskussion stand die bekannte Problematik, dass die derzeitige Agrarpolitik vor allem agrarindustrielle Betriebe begünstigt und die Verbreitung von alternativen, kleinstrukturierten Landwirtschaftsmodellen hemmt. Dies gilt auch für den Bereich Vermarktung: Für viele kleine verarbeitende Betriebe stellen bspw. die hohen Anforderungen bzgl. der Nährwertangaben einen enormen Aufwand dar, den kleinere Betriebe nicht effizient leisten können und die zudem ohne bedeutenden Mehrwert für VerbraucherInnen sind. Und auch hinsichtlich rahmenrechtlicher Vorschriften gibt es Verbesserungspotenzial, wie Julia Hartkemeyer von der Solidarischen Landwirtschaft CSA Pente berichtet: „Wir sind gerade dabei einen neuen Stall zu bauen. In diesem sollen drei Tierarten unterkommen und zudem noch ein Begegnungsort für Menschen geschaffen werden – eine richtige Innovation also. Leider ist es sehr aufwendig die Genehmigung dafür zu bekommen, da solche Sonderfälle mit Unsicherheiten bei den Behörden verbunden sind. Für flexible Lösungen muss man sich selber sehr gut bei den geltenden Regelungen auskennen.“ Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Fachkräfteausbildung: Auch hier werden kleinstrukturierte Betriebe vernachlässigt, denn die derzeitige Ausbildung ist auf die Praktiken der industriellen Landwirtschaft ausgelegt. Nun ist die Politik gefragt, rechtliche und bürokratische Regelungen anzupassen, um so alternative und zukunftsfähige Landwirtschaftsmodelle zu fördern.
Chancengleichheit für Groß und Klein
„Das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft wird immer häufiger umgesetzt und gewinnt stetig an Bedeutung. Und die Praxis zeigt: SoLaWis können als Impulsgeber in der Region wirken und einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Doch damit die Bewegung weiterwachsen kann, muss die Politik für Chancengleichheit für kleine und große Betriebe sorgen und darüber hinaus auch die Innovationskraft der kleineren Betriebe fördern anstatt sie zu behindern“, resümiert Dr. Niels Kohlschütter.
Hier geht es zur Tagungsdokumentation des 2. Fachtages.
Mitmachen: Partizipation als Grundlage für die Gestaltung der eigenen Region
In Wurzen und Lindau wurde gerade einmal mehr deutlich: Das Konzept der Mitmach-Konferenz der Schweisfurth Stiftung ist ein voller Erfolg. Immer mehr Menschen wollen selbst aktiv werden und sich für eine nachhaltige und enkeltaugliche Zukunft einsetzen. Das Credo lautet: Nicht mehr länger warten bis sich etwas in Politik und Wirtschaft ändert, sondern selbst Gestalter*in der eigenen Region werden. Die Mitmach-Konferenz befähigt dazu.
Wie gestalten wir gemeinsam die Region nachhaltig?
Diese Frage stand im Mittelpunkt der Zukunftswerkstatt in Wurzen , welche von der Schweisfurth Stiftung gemeinsam mit einem transdisziplinären Projektkonsortium im Rahmen des Projektes WERTvoll organisiert wurde. Dazu wurden am 28.11.2019 Akteure aus den Bereichen Landwirtschaft, Gemeinschaftsverpflegung, Handel, Kommunikation und Kulturlandschaftsentwicklung zusammengebracht, um für einen Tag gemeinsam an Strukturen für eine nachhaltige Versorgung der Großstadt Leipzig durch ihr Umland zu erarbeiten. Ziel dabei war es, konkrete Ansätze der Zusammenarbeit zu entwickeln, welche zudem die Stadt-Land-Beziehungen stärken und Leipzig und Umgebung langfristig zu einem Leuchtturm für andere Regionen zu machen.
Mitmach-Konferenz für alle: Das Open-Source Prinzip
Was es für die Organisation und Durchführung einer Mitmach-Konferenz braucht, soll zukünftig allen Interessierten zugänglich sein. Denn nur so kann sich das vielversprechende, partizipative Veranstaltungsformat verbreiten und noch mehr Menschen dazu befähigen, Gestalter*in der eigenen Region zu werden. Deshalb erstellt die Schweisfurth Stiftung aktuell, zusammen mit WirUndJetzt e.V. , der Be the Change Stiftung und den Pioneers of Change, ein Handbuch und einen Onlinekurs, sodass Menschen im gesamten deutschsprachigen Raum eigenständig eine Mitmach-Konferenz veranstalten und damit ihre Region nachhaltig prägen können. Dass das funktioniert, zeigte dieses Jahr der Verein WirUndJetzt e.V.: Für ein Wochenende verwandelten dieser am 2. und 3. November 2019 die Inselhalle in Lindau in ein Labor für die nachhaltige Gestaltung der Bodenseeregion.
Einfaches Konzept, große Wirkung
Bei einer Mitmach-Konferenz kommen für einen oder mehrere Tage Menschen aus Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung und Wirtschaft zusammen, um darüber zu diskutieren wie Bürger*innen zur nachhaltigen Gestaltung der Region beitragen können. Es wird eine Landkarte erarbeitet, welche Initiativen es schon gibt, welche es vielleicht noch braucht und wie diese unterstützt werden können. Im Zentrum steht dabei das Mitmachen: Nach kurzen Impulsvorträgen werden gemeinsam konkrete Ideen und Umsetzungskonzepte erarbeitet. Ziel ist es, dass die Teilnehmer*innen miteinander in den Dialog treten, sich vernetzen und dadurch Veränderungen anstoßen und neue Kooperationen in die Wege leiten. Wie die beiden Veranstaltungen in Wurzen und Lindau zeigen: Das Konzept geht auf!
Mehr Informationen zu dem Projekt finden Sie hier:
mitmach-konferenz.org
wertvoll.stoffstrom.org
Grenzenloses Wissen oder wie Nachbarn voneinander lernen können!
„Um die natürlichen Lebensgrundlagen auch für nachfolgende Generationen zu erhalten, braucht es grenzübergreifende Zusammenarbeit. Mit dem Ziel Praxiswissen schnell zu verbreiten. Der interessante Austausch mit Vertretern aus den Niederlanden hat dies einmal mehr gezeigt“, so Dr. Niels Kohlschütter, Vorstand der Schweisfurth Stiftung.
Die Niederlande stehen hinsichtlich der Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung vor ähnlichen Fragestellungen wie ihre europäischen Nachbarländer: Wie können die Klimaziele des Pariser Abkommens erreicht werden? Wie lässt sich der dramatische Verlust der Biodiversität stoppen? Und wie können Boden und Wasser effektiv geschützt werden? In vielen Ländern gibt es bereits Leuchtturmbeispiele und vielversprechende Ansätze, wie diese Herausforderungen bewältigt werden können. Die Niederlande sandte deshalb nun ihre Botschaftsräte in verschiedene Nachbarländer aus, mit dem Auftrag, Best-Practice-Projekte zu identifizieren. Im Zuge dessen ist der niederländische Botschaftsrat für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität, Peter Vermeij zusammen mit seiner Kollegin Anna Meyer zum Austausch in die Schweisfurth Stiftung gekommen.
Mitmach-Konferenz und Boden-Allianz überzeugen
Beeindruckt hat dabei unter anderem das Konzept der regionalen Mitmach-Konferenz, dass die Schweisfurth Stiftung im Rahmen des Projektes Stadt-Land-Tisch entwickelt und beispielsweise im Chiemgau und der Region Bodensee Oberschwaben umgesetzt hat. Bei Mitmach-Konferenzen treffen sich VertreterInnen aus (Land-)Wirtschaft, Politik, Verwaltung sowie alle interessierten BürgerInnen und stellen Projekte und Initiativen aus der Region vor. Ziel ist es Synergien aufzudecken, neue Kooperationen zu initiieren und das Schwarmwissen aller TeilnehmerInnen zu nutzen. Dadurch wird die Vernetzung und Mitarbeit für eine zukunftsweisende, lebenswerte und enkeltaugliche Region gefördert.
Außerdem überzeugte das Solidaritätsprojekt Boden-Allianz in Pfaffenhofen a. d. Ilm, das Dr. Niels Kohlschütter beratend unterstützt. Mit dem Projekt sollen Landökosysteme geschützt, wiederhergestellt und deren nachhaltige Nutzung gefördert werden. Konkret bedeutet dies, dass in den nächsten Jahren die landwirtschaftliche Fläche, die ökologisch und naturnah bewirtschaftet wird, verdreifacht werden soll. Dazu werden gemeinsam mit BürgerInnen und lokalen LandwirtInnen Maßnahmen ergriffen, um gesunde, fruchtbare Böden und die biologische Vielfalt zu erhalten, wiederherzustellen und zu schützen.
Von den Niederlanden lernen
Viel gelernt werden kann auch von den Niederlanden – wie sich bei einem Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft in Berlin zeigte. Hier hatte Dr. Niels Kohlschütter die Gelegenheit sich mit Evelien Verbij, Direktorin von BoerenNatuur über die Arbeit der Organisation auszutauschen. Sie verfolgt einen – bislang einzigartigen – gemeinschaftlichen Ansatz, um die Agrarumweltmaßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union umzusetzen. Im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen erhalten LandwirtInnen finanzielle Unterstützung, wenn sie sich freiwillig zum Schutz der Umwelt und zum Erhalt der Naturlandschaften verpflichten. Um die Verteilung dieser Fördergelder effizienter zu gestalten, gründete BoerenNatuur 40 Kollektive, verteilt über ganz Niederlande. Gemeinsam setzen die LandwirtInnen in ihren Kollektiven Maßnahmen zur Steigerung der biologischen Vielfalt sowie zur Förderung der Wasser- und Bodenqualität um. Das Ergebnis: Die Landwirte profitieren von dem kollektiven Ansatz auf zweierlei Weise: Zum einen erhalten sie dadurch mehr Einfluss und Wissen. Zum anderen nahm der bürokratische Aufwand sowohl für die gesamte Administration als auch für die Bauern selbst deutlich ab. Dadurch konnten die administrativen Kosten um bis zu 20 Prozent reduziert werden, die dann den LandwirtInnen zu Gute kommen. „Dieser Ansatz überzeugt uns! Wir sind froh über den fruchtbaren Austausch mit unseren Kollegen aus den Niederlanden. Wir alle können viel voneinander lernen“, kommentiert Dr. Niels Kohlschütter das Treffen mit den niederländischen Vertretern.