Jede Blüte zählt! Gemeinsam den Sinkflug der Insekten stoppen

Hoch motiviert, voller Tatendrang und fest entschlossen einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt zu leisten – das zeichnete die TeilnehmerInnen des BlühbotschafterInnen-Lehrgangs, den die Schweisfurth Stiftung erstmalig im Zeitraum von Juni bis Juli 2020 ausrichtete, aus. Nach einer intensiven Zeit, mit viel neuem Fachwissen, dem Austausch mit ExpertInnen und dem Kennlernen von Best Practice Beispielen, sind sich alle einig: Eine Biodiversitäts-Wende ist dringend notwendig und jeder kann dazu beitragen.

Von Praktikern für Praktiker

Insgesamt besuchte die 16-köpfige Gruppe gemeinsam mit Projektleiterin Carmen Grimbs zehn verschiedene Projekte und Orte. Zu jedem Treffen waren ExpertInnen eingeladen, die Fachwissen zu Ökologie und den Ansprüchen der Insekten an ihren Lebensraum vermittelten und praktisch erlebbar machten. Der rote Faden dabei war die Frage: Was kann jeder Einzelne tun, um die Lebensbedingungen der Insekten zu verbessern? Selbstverständlich also, dass unter anderem Münchens Wildbienen Hotspot Nummer 1 besucht wurde: der Botanische Garten. Hier erklärte Prof. Dr. Susanne Renner, Direktorin des Botanischen Gartens München-Nymphenburg, wie ein Lebensraum gestaltet werden kann, der Wildbienen ausreichend Futterquellen, Nistmöglichkeiten und Rückzugs- bzw. Überwinterungsorte bietet. Dies kann auch auf kleinstem Raum, wie beispielsweise dem Balkon einer Stadtwohnung, gelingen.

Die Herausforderung dabei: Ein Band durch das gesamte Jahr zu schaffen. Welche Möglichkeiten auf dem Land bestehen, um zum Erhalt der Artenvielfalt beizutragen, erfuhren die BlühbotschafterInnen beim Besuch des Bioland Hofes von Landwirt Sepp Braun.

Es hat gefruchtet

Mein Fazit des BlühbotschafterInnen-Lehrgangs? Ganz klar: Es ist Zeit zu handeln und sich für den Erhalt der Biodiversität einzusetzen. Ich möchte nun mein neu gewonnenes Wissen weitergeben und in der Praxis umsetzen. Ich habe zum Beispiel schon damit begonnen ein Blühwiesen-Projekt in unserer Gemeinde Schöngeising zu planen“, resümiert Teilnehmerin Anita Jensen. Genau das ist das Ziel des BlühbotschafterInnen-Lehrgangs: Die TeilnehmerInnen zu MultiplikatorInnen auszubilden, d.h. sie dazu befähigen eigenständig Projekte in ihrer Umgebung umzusetzen. Die Schweisfurth Stiftung steht ihnen natürlich auch nach dem Lehrgang mit Rat und Tat zur Seite und organisiert regelmäßige Austausch- und Vernetzungstreffen. „Wir freuen uns sehr, dass unser Kurs-Konzept so gut aufgeht. Man spürt die Begeisterung, den Tatendrang und die Motivation der TeilnehmerInnen. Wir sind schon gespannt auf die unterschiedlichen Projekte. Die Ideen sind vielversprechend und reichen von der Gestaltung eines Insekten-Lehrpfads bis zur Umgestaltung öffentlicher Flächen – wobei hier natürlich das Motto gilt: Jede Blüte zählt“, kommentiert Carmen Grimbs.

Warum wir eine Biodiversitäts-Wende brauchen

Es ist schlimmer als erwartet – zu diesem Ergebnis kommen die WissenschaftlerInnen der im November 2019 im Nature Magazin veröffentlichten Studie der TU München. Sie zeigt, dass in Deutschland die Biomasse der Fluginsekten in den vergangenen 30 Jahren um 75 % zurückgegangen ist. Allein bei den Wildbienen sind bereits 50 % der Arten auf der roten Liste (5. Fassung vom Bundesamt für Naturschutz).

Doch wildlebende Insekten, wie zum Beispiel Bienen oder Schmetterlinge, haben eine zentrale Funktion in unserem Ökosystem und sind essentiell für uns Menschen: Denn etwa 80 % unserer Wild- und Nutzpflanzen sind auf die Bestäubung von Insekten angewiesen. Genau diese Ökosystemdienstleistung ist aufgrund des aktuellen, dramatischen Insektenschwundes akut gefährdet. Nun gilt es diesen Trend umzukehren und den Artenschwund zu stoppen.

Erfahren Sie mehr über das Projekt!

Unsere Förderpartner:

(c) BlühbotschafterInnen Lehrgang durch Förderung

Resilient, kooperativ und regional: Die Solidarische Landwirtschaft – ein Zukunftsmodell?

Wir brauchen eine sozial-ökologische Transformation. Denn: Die Klimakrise macht uns die Herausforderungen der jetzigen Wirtschaftsweise bewusst. Und die Pandemie-Krise verdeutlicht die menschgemachten Probleme, wie soziale und ökonomische Ungerechtigkeiten, zusätzlich. Ein Weiter so ist keine Option. Doch wie könnten Alternativen aussehen? Im Bereich Land- und Lebensmittelwirtschaft erfährt das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft einen immer größeren Zulauf. In der direkten und kooperativen Zusammenarbeit von VerbraucherInnen und ErzeugerInnen wird ein vielversprechendes Zukunftsmodell gesehen. Was zeichnet die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) aus? Welche Erkenntnisse sind übertragbar? Ein Gespräch mit Stephanie Wild vom Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V.:

Aktuell gibt es eine breite Diskussion darüber, wie die Weichen für eine sozial-ökologische Transformation gestellt werden können. Wie können SoLaWis dazu beitragen bzw. was kann von diesem Konzept gelernt werden?

„SoLaWis müssen als Erfahrungsräume verstanden werden. Sie zeigen, wie und vor allem das ein anderes Wirtschaften, sprich eine umweltverträgliche, kooperative Wirtschaftsweise, möglich ist. Damit demonstrieren die SoLaWis: Eine andere Art der (Land-) Wirtschaft ist nicht nur eine schöne Theorie, sondern wir können diese schon jetzt umsetzen. Das motiviert und macht all denen Mut, die mit unterschiedlichen Projekten aktiv den Wandel gestalten und vorantreiben. Außerdem machen die SoLaWis die komplexen Zusammenhänge unseres jetzigen Wirtschafts- und Agrarsystems erfahr- und damit begreifbar, z.B. erleben die Mitglieder einer SoLaWi die teils konterkarierende politische Rahmenbedingungen. Gleiches gilt für die Auswirkungen des Klimawandels. Die Mitglieder der SoLaWis erfahren unmittelbar, was z.B. Dürre mit ihrer Ernte und damit mit ihrem Speiseplan macht. Dieses Verständnis ist Voraussetzung für aktives Engagement.

Stephanie Wild, © Solidarische Landwirtschaft e.V.

Lebensmittelsicherheit dank regionaler Wertschöpfungsketten – diese und ähnliche Überschriften konnte man in letzter Zeit häufig lesen. SoLaWis stehen für regionale Wertschöpfung – doch was bedeutet das genau?

„Gerade jetzt ist Regionalität eine wesentliche Stärke für die SoLaWis. Sie sind bislang kaum von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise betroffen. Aktuell zeigt sich deutlich: Durch die kurzen geschlossenen Kreisläufe und das Prinzip der Selbstversorgung sind die SoLaWis widerstandsfähig, wenn äußere Systeme nicht mehr funktionieren. Sinn und Zweck der SoLaWis ist die nachhaltige und regionale Grundversorgung. D.h. wir plädieren für die Erhöhung des Selbstversorgungsgrads. Wir sind aber durchaus für Produktvielfalt und damit für den globalen Handel. So gibt es bspw. SoLaWis, die mit ähnlich organisierten Kooperativen in anderen Ländern zusammenarbeiten und von diesen Produkte wie Olivenöl und Orangen beziehen. Hier geht es darum, eine richtige Balance zu finden und ein faires Miteinander zu ermöglichen.“

VerbraucherInnen und LandwirtInnen haben sich stark voneinander entfernt. VerbraucherInnen können Herstellung und Verteilung der Lebensmittel kaum noch nachvollziehen. In den SoLaWis wird die Möglichkeit gesehen beide „Parteien“ wieder zusammenzubringen. Wie sehen Sie das?

„Durch das Konzept der SoLaWis wird eine gemeinsame Gesprächsbasis für LandwirtInnen und VerbraucherInnen geschaffen. Sie sprechen miteinander, nicht übereinander. Aktuell ist es in der Regel so, dass VerbraucherInnen über die Arbeit der LandwirtInnen nur über Dritte, sprich über Medien, erfahren. In den SoLaWis wird der direkte Informationsaustausch gefördert. Außerdem entsteht Verbindlichkeit zwischen den beiden Parteien: Die Mitglieder wollen nachvollziehen, wie die Beiträge investiert werden. Die ErzeugerInnen machen ihre Arbeit deshalb transparent – von der Aussaat bis zur Ernte. Dadurch wird der Aufwand der Lebensmittelerzeugung deutlich. SoLaWis tragen so zur Steigerung der Wertschätzung für die Arbeit der LandwirtInnen bei.“

Das Thema Ernährungssouveränität beschäftigt die Schweisfurth Stiftung schon sehr lange, gerade ist es wieder top aktuell. Welche Rolle nehmen SoLaWis hier ein?

„In den SoLaWis bestimmen die Erzeuger was angebaut wird. Oder besser gesagt: Es wird vom Boden her gedacht. Seine natürliche Beschaffenheit gibt vor, wie er bewirtschaftet wird. Im Rahmen des jetzigen Agrarsystems wird jedoch vom Produkt bzw. der Nachfrage aus gedacht und entsprechende Rahmenbedingungen gesetzt. Diese sind wenig flexibel und werden den unterschiedlichen Gegebenheiten in den verschiedenen Regionen oftmals nicht gerecht. Dies erschwert die Arbeit der LandwirtInnen enorm. Ein weiterer Aspekt ist, dass in den SoLaWis eine kostendeckende Erzeugung garantiert ist, d.h. die LandwirtInnen haben ausreichend finanzielle Mittel, um natur- und umweltverträglich arbeiten zu können. Dies ist in unserem jetzigen Agrarsystem leider nicht der Fall, aber definitiv eine wichtige Voraussetzung für Ernährungssouveränität.“

Was ist Solidarische Landwirtschaft?

In der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) tragen mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten. Durch den persönlichen Bezug zueinander erfahren sowohl die ErzeugerInnen als auch die VerbraucherInnen die vielfältigen Vorteile einer nicht-industriellen, marktunabhängigen Landwirtschaft (siehe https://www.solidarische-landwirtschaft.org/startseite/). In der Praxis finden sich vielfältige Konzepte der SoLaWi , die sich danach unterscheiden lassen, wer sie führt: ErzeugerInnen, (producer-led), die Gemeinschaft (community-led), ErzeugerInnen und VerbraucherInnen (producer-community partnerships) oder die Eigentümer-Gemeinschaft eines Hofes (Community-owned farms).