Ökologie & Ethik

Ernährungssouveränität versus Ernährungssicherung?

Im November 2018 sprach Prof.  Dr. Franz-Theo Gottwald, Vorstand der Schweisfurth Stiftung, auf der
3. International Conference On Agricultural Engineering and Food Security. In seinem Vortrag zeigte er auf, wie Ernährungssouveranität und Ernährungssicherheit miteinander in Einklang gebracht werden können.

Bauernrechte stärken

Der Begriff Ernährungssouveränität hat seine Wurzeln in der Vereinigung Via Campesina, einer Gruppe von Bäuerinnen und Bauern sowie Landarbeiterinnen und Landarbeitern, die sich unter anderem für unabhängige Landwirtschaft und die Rechte von Bauern, Landfrauen und der Jugend einsetzt. Mittlerweile unterstützt eine Vielzahl von NGOs und Bauerngewerkschaften dieses Konzept, das eine nachhaltige Lebensmittelversorgung für eine wachsende Bevölkerung sicherstellen soll. Ziel der Ernährungssicherung ist, dass global alle Menschen dauerhaften wirtschaftlichen und körperlichen Zugang zu sicheren und nahrhaften Lebensmitteln haben. Die Ernährungssouveränität baut darauf auf: Neben der sicheren Verfügbarkeit postuliert sie eine freie Auswahl von Lebensmitteln entsprechend des kulturellen Hintergrunds sowie die Rücksichtnahme auf individuell bevorzugte Ernährungsgewohnheiten.

Lokale Märkte – lokale Kunden

Um globale Ernährungssouveränität zu gewährleisten, müssten sich laut Prof. Gottwald die legalen Voraussetzungen jedoch deutlich von der heutigen politischen Praxis unterscheiden. Lokale Märkte und der Waren- und Güteraustausch zwischen ErzeugerInnen und KonsumentInnen könnten die Preise senken und die Souveränität der Einzelnen erhöhen. Außerdem müssten ausgewählte Grundnahrungsmittel subventioniert werden, sodass eine gesunde und nährstoffreiche Ernährung für alle Menschen ermöglicht wird.

Überwindung eines agrarpolitischen Konflikts

Stehen globales Wirtschaftswachstum und die Möglichkeit, Ernährungs- und Landwirtschaftsstil selbst zu definieren und zu wählen, im Widerspruch? Der „entweder … oder“-Ansatz sei obsolet, so Prof. Gottwald, vielmehr ginge es um ein grundsätzlich inklusives Denken: Die Produktion muss bei wachsender Weltbevölkerung zunehmen, dabei sollte aber auch Ernährungssouveränität garantiert werden. Grüne Revolution und ökologische Intensivierung schließen sich nicht aus, sondern sollten Hand in Hand gehen.

Offene ethische Fragen

Bedingung für eine solche Entwicklung ist die legale und ethisch verantwortungsvolle Ausrichtung zukünftiger Marktstrukturen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf Technik, Patente, Boden und Verbraucherrechte. Darüber hinaus spielen Tierwohl sowie der Schutz von Umwelt- und Ökosystemen eine wichtige Rolle. Die globalen Macht-Asymmetrien müssen verschoben und durch solche ersetzt werden, die Ernährungssouveränität garantieren, sodass sie den Kampf gegen den Hunger unterstützen.

 

Weitere Informationen zum Thema finden Sie im aktuellen Jahrbuch Ökologie: „Leitkultur Ökologie? Was war, was ist, was kommt?“

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