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Wie Urban Gardening die Städte verändert. Eine Tagung

Als eine der „hoffnungsvollsten sozial-ökologischen Bewegungen“ bezeichnet unsere Gastautorin Dr. Christa Müller die urbanen Gemeinschaftsgärten, die seit der Jahrtausendwende überall in Deutschland entstehen. Zum Thema „Die Stadt ist unser Garten – Wie die urbane Gartenbewegung unsere Städte verändert“ fand vom 24.-26. Mai 2024 eine spannende Kooperationstagung der anstiftung mit der Schweisfurth Stiftung und der Selbach-Umwelt-Stiftung in der Evangelischen Akademie Tutzing am Starnberger See statt. Dr. Christa Müller, Kuratorin der Schweisfurth Stiftung und Vorstand der anstiftung, hat die wichtigsten Ergebnisse der Veranstaltung zusammengefasst.

Sind die urbanen Gemeinschaftsgärten von „queeren Störenfrieden“ zu ökologischen Leistungsträgern geworden? Den Eindruck könnte man gewinnen, führt man sich die Fülle der Aufgaben vor Augen, die Gärten im Kontext des sozial-ökologischen Krisenmodus der Städte mittlerweile übernehmen müssen, wenn sie städtische Förderung und Flächen bekommen wollen.

Die auf mittlerweile fast 1000 Projekte angewachsene neue urbane Gartenbewegung stand am letzten Mai-Wochenende am Starnberger See im Fokus der Tagung Die Stadt ist unser Garten. Wie die urbane Gartenbewegung unsere Städte verändert.

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Sophia Kipp (li.), Humboldt-Universität zu Berlin und Dr . Christa Müller, anstiftung

Im Einführungsvortrag beleuchteten wir drei Soziologinnen – Andrea Baier, Christa Müller, Karin Werner – die nunmehr zwei Dekaden dauernde Geschichte der Bewegung. Uns lag dabei vor allem daran, die tieferen Bedeutungsebenen der Projekte freizulegen: Gärten als Orte der terrestrischen Moderne, Gärten als Ernährungsorte, Gärten als Lernorte, Gärten als Ökosysteme; aber eben auch Gärten als politische Orte und Gärten im System politischer Governance.

„Leider haben nicht alle Stadtverwaltungen einen Toni“, bedauerte eine Teilnehmerin. Die Rede war von Toni Karge, dem Urban-Gardening-Beauftragten des Berliner Senats, der die Bewegung durch jahrelanges Engagement im Gemeinschaftsgarten himmelbeet von innen kennt. Aber selbst wenn es eine Ansprechperson in der Stadtverwaltung gibt, die die Bedarfe und Logiken der Projekte barrierefrei versteht, bleibt, so der Stadtplaner, der kontinuierlich erzeugte „Druck“ von den Projekten unverzichtbar, um weiterhin Flächen für urbanes Gärtnern für die sozial-ökologische Wende in den Städten zu sichern.

Die Ernährungswende braucht auch Lebensmittel aus der Stadt und der Region

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Toni Karge, der Urban-Gardening-Beauftragte des Berliner Senats

Toni Karge war nicht der einzige Vortragende, der bewusst eine hybride Rolle einnimmt und seine Perspektive in die jeweiligen Segmente der Wissenschaft, der Kultur oder der Politik zu übersetzen weiß. Auch Elke Krasny, Professorin an der Wiener Akademie der bildenden Künste, versteht sich als Kuratorin, Wissenschaftlerin, Feministin und Care-Aktivistin zugleich – und entwickelte in ihrem Vortrag „Caring Urbanism: Von Gärten der Sorge auf einem erschöpften Planeten“ eine spezifische Methodik des „Denkens-mit-Gartenarbeit“. Ähnliches gilt für Harald Lemke, Philosoph, Stadtaktivist und – laut seiner Selbstbeschreibung – Freizeit-Terraner. Er stellte dar, wie sehr sich Gastrosophie und Gartenaktivismus gegenseitig brauchen und bedingen, um die Welt zu einem schöneren und gerechten Ort für alle zu machen.

Gastrosophie meint die Philosophie des Essens und Einladens. Gute Lebensmittel aus der Region oder gar dem unmittelbaren städtischen Umfeld sind dafür eine zentrale Voraussetzung. Sie stehen im engen Zusammenhang mit der Ernährungswende. Das Thema Essbare Stadt im internationalen Vergleich bespielten Ina Säumel und Sophia Kipp von der Humboldt-Universität zu Berlin mit Fallbeispielen aus Singapore, Berlin, Quito und Havanna.

Überforderung der urbanen Gartenbewegung mit Migrationssozialarbeit

Die großen Erfolge, die die urbane Gartenbewegung unübersehbar aufweist, und die sich nicht zuletzt in wirkmächtigen Anschlüssen an Diskurse, Wissenschaftspraxen, Forschungspartnerschaften oder den Eingang in Förderprogrammatiken ausdrücken, haben unausweichlich auch ihre Schattenseiten. Alexander Follmann, Wissenschaftler von der Universität Bonn und Aktivist beim Gemeinschaftsgartennetzwerk um NeuLand Köln, das sich äußerst gelungen in Stadtentwicklungsprozesse einmischen konnte, zeigte eben auch die inneren und äußeren Widersprüche der sozial-ökologischen Transformation durch Urban Gardening am Beispiel von Ernährungsrat, Essbare Stadt und Gemeinschaftsgärten in Köln auf.

Widersprüche, Herausforderungen und bisweilen auch Überforderungen thematisierten auch die parallel laufenden Praxisworkshops sowie die abschließende Podiumsdiskussion am Sonntagmorgen. Nun kamen nach drei Tagen konstruktiver und von gegenseitiger Wertschätzung geprägter Debatte auch Kontroversen zum Vorschein: Diskutiert wurden die zum Teil großen Lasten, die den Gärten in den Großstädten zunehmend aufgebürdet werden, wie zum Beispiel der Umgang mit traumatisierten Menschen, der Umgang mit Drogenabhängigen (ohne professionelle Unterstützung) für unerfahrene Engagierte aus der Zivilgesellschaft. Eva Kirschenmann berichtete in ihrem Workshop „Stadtumgestaltung von unten“ aus Bremen, dass Gemeinschaftsgärten bisweilen schlicht überfordert sind, Probleme zu lösen, die an anderen Stellen entstehen und für die die Gesellschaft insgesamt Verantwortung zu übernehmen hat. Und die Frankfurter GemüseheldInnen problematisierten den Versuch der Stadt, sie in ihrem Engagement für mehr Grünräume zusätzlich in die Pflicht zu nehmen, Aufgaben aus dem Bereich der Migrationssozialarbeit zu übernehmen, zumal sie über keine entsprechende Expertise in diesem Bereich verfügen.

Dabei steht die Solidarität mit Geflüchteten in der Gartenbewegung grundsätzlich nicht in Frage, im Gegenteil: Ein großer Teil des bundesweiten Netzwerks Urbane Gärten, das Anuscheh Amir-Khalili und Gudrun Walesch von der anstiftung vorstellten, besteht explizit aus Interkulturellen/Transkulturellen Gärten, die ein großes Potenzial für die postmigrantische Gesellschaft darstellen – und aus ihr erwachsen.

Skandalisierung von Umwelt-Ungerechtigkeit ist notwendig

Und schließlich zeigt nicht zuletzt auch die Notwendigkeit des Abbaus von Umwelt-Ungerechtigkeit, die Kerstin Stelmacher anhand des sozial-räumlichen Zusammenspiels von Luftverschmutzung, fehlendem Naturzugang und sozialer Unterschichtung anhand von Kartenmaterial visualisierte, wieviel noch zu tun bleibt – und ohne die Skandalisierung dieser Zustände durch eine engagierte Zivilgesellschaft tut sich deutlich zu wenig. Dafür wiederum ist Wissen vonnöten – und auch dieses wird, wie Marco Clausen betonte, in urbanen Gemeinschaftsgärten als kollektive Lern- und Bildungsräume generiert und weitergegeben.

Wir haben auf der Tagung eine der hoffnungsvollsten sozial-ökologischen Bewegungen beleuchtet – aus der Perspektive verschiedener Wissenschaftszweige wie der Soziologie, der Philosophie, der Wirtschaftswissenschaften, der Kritischen Geographie oder der Kunst- und Kulturwissenschaften – aber eben auch aus der von praktisch inspirierten Ansätzen und Praxisräumen wie dem „Achtsamen Gärtnern“ (mit Daniel Dermitzel), der Permakultur, der Urbanistik, der Kompostologie.

Kompostierung als Workshop-Methode

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collagenCollage-Workshop des QueerEcologiesCollective

Und am Ende wurde dann tatsächlich alles wieder kompostiert: Im Collage-Workshop des QueerEcologiesCollective (Ella von der Haide und Manuel Wagner) zerschnipselten die Tagungsteilnehmer:innen lustvoll Headlines, Fotos, Berichte und Thesen zur Bewegung und setzten sie neu zusammen. Es könnte eben auch alles anders sein.

Was bleibt, ist danke zu sagen. Für das exzellente bio-veggie Essen vom Küchen-Team der Evangelischen Akademie Tutzing, für das Engagement aller, die da waren, für die Kooperationen, für die sternenklare Nacht und den freien Blick auf die Berge.

Wer tiefer eintauchen will in die einzelnen Inhalte, kann dies in unserem zur Tagung erschienenen Buch tun, wer einfach nur die Präsentationen anschauen will oder sich über eine Fotoauswahl einen Eindruck von der Stimmung an diesem wunderbaren Ort verschaffen möchte, kann auch dies gerne tun:

Copyright Fotos: anstiftung

Globale Herausforderungen – lokale Lösungen

Die Urban Food Governance Tagung

Die Lebensmittelversorgung kehrt in die Stadt zurück – in Form von Stadtgärten, SoLaWi (Solidarische Landwirtschaft), Vertical Farming, essbaren Städten, Food Trucks – so die These der DNEE Tagung. Anlass dafür ist unter anderem die gestiegene Neugierde der (Groß)StädterInnen auf die Ursprünge der Ernährung. Hinzu kommt: Essen ist längst kein Privatvergnügen mehr, vielmehr beschäftigen sich Politik, Wissenschaft, Stadtplaner, Bürger und neuerdings auch Ernährungsräte mit Urban Food Governance.

Multidisziplinäre Perspektiven

Im Rahmen der vom Netzwerk Ernährungskultur (EssKult.net), dem Deutschen Netzwerk Ernährungsethik (DNEE) und der Schweisfurth Stiftung organisierten Tagung „Ernährung kehrt in die Stadt zurück – Innovative Ansätze urbaner Food Governance“ diskutierten über 40 WissenschaftlerInnen aller Altersgruppen die aktuellen Entwicklungen. In fünf Blöcken der zweitägigen Veranstaltung an der Hochschule Fulda wurden aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven die Rolle von Ernährungsräten, Migration und Ernährung sowie städtische Initiativen und Akteuren im urbanen Raum thematisiert.

Raum für Experimente: das Food Lab Stadt

Selbstermächtigung und Eigeninitiative treiben die Pioniere der verschiedenen Projekte und Start-Ups an. Aktuell entsteht eine vielfältige Landschaft lokaler und urbaner Initiativen und Alternativen. Die Ziele reichen von Armutsbekämpfung über Klimaschutz und Gesundheit bis zu nachhaltiger Raumplanung und Bildung. Es gilt, die Fremdbestimmung sowie Entfremdung von der Lebensmittelproduktion zugunsten der Ernährungssouveränität zu überwinden. Philip Stierand (Speiseräume) spricht von einer Ernährungsbewegung, die nicht mehr die Sicherung der Kalorien zum Ziel hat, sondern vielmehr das Food Lab Stadt als Handlungs- und Experimentierraum für Alternativen zur Hightech-Produktion erobert.

Die Gratwanderung zwischen Nische und Mainstream

Doch die Stadt hat ihre Grenzen. Auf engem Raum konkurrieren soziale, ökologische und ökonomische Akteure um Flächen, Einfluss und Finanzierung. Ella von der Haide (Universität Kassel) wagte einen kritischen Blick auf die Bewegung und ihre Trittbrettfahrer: Kommerzialisierung, Green Washing und Gentrifizierung unterminieren die ursprünglichen Intentionen der Initiativen mit sozialen und ökologischen Wurzeln. Andererseits wird die Bewegung so von der Nische in den Mainstream transportiert. Alexander Schwinghammer (Bauhaus Universität Weimar)  beleuchtet in diesem Kontext die Ecopreneurs, die Sky-, Rooftop- sowie Hightech Vertical Farming und damit die wirtschaftlichen Produktionsprozesse in die Städte zurückholen.

Weggabelung oder Koexistenz?

Die Sustainble Development Goals (SDGs) lassen Wege zur Nahrungsmittelproduktion offen. Es existieren jedoch mindestens zwei Pfade, so Franz-Theo Gottwald: Einer, der im Sinne der Bioökonomie ausschließlich auf Hightech und Biomasse setzt, sowie einen weiteren, der die Koexistenz lokaler, naturnaher und vielfältiger, oft auch handwerklicher Strukturen zulässt. Welcher Pfad in die Zukunft weist, darüber wird gestritten. Jana Rückert-John, Vorsitzende des Netzwerks Ernährungskultur, betonte das gesellschaftliche Spannungsfeld im Alltag: während einige Akteure einen Wandel anstreben, gilt es auch diejenigen mitzunehmen, die Veränderungen mit Vorbehalten und Angst gegenüberstehen.

Die hohe Anzahl der Besucher und die vielen hochkarätigen Beiträge zeigen, das Thema Urbane Food Governance ist brandaktuell. Lars Winterberg (Universität Regensburg, Universität des Saarlandes) fasste die Konferenz treffend zusammen: Es besteht weiterhin großer Forschungsbedarf rund um die städtische Lebensmittelversorgung – und es braucht Offenheit für vielschichtige Konzepte der Landwirtschaft im urbanen Raum.

Tipps zum Weiterlesen:
Westra, Laura; Gray, Janice; Gottwald, Franz-Theo (2017): The Role of Integrity in the Governance of the Commons. Governance, Ecology, Law, Ethics. Springer, Schweiz 2017.

100 Tage krisenKONTERKIOSK – ein Abschlussbericht

100 Tage gefüllt mit Ideen, Visionen, Aktionen, interessanten Gesprächen, Gießkannen, Schweiß, Käsebroten und jeder Menge Erfahrungen sind vorbei und eins lässt sich sagen: Es lohnt sich ein Projekt zu starten – aus der Überzeugung und mit dem Anspruch etwas zu bewegen. Bei mir, Lena Jacobi, war und IST es die bäuerliche Landwirtschaft, deren Erhaltung und Förderung mich antreibt.

Landwirtschaft in der Stadt erlebbar machen

Das Ziel von krisenKONTERKIOSK war es, das Thema Landwirtschaft und die Art und Weise, wie Lebensmittel erzeugt, verarbeitet und konsumiert werden, zum öffentlichen Thema zu machen. Während der documenta in Kassel, wollte ich den Menschen mit dem kleinen Bauernladen und Gemeinschaftsgarten mitten im Univiertel anschaulich erzählen, wie wir Bäuerinnen und Bauern arbeiten und warum so und nicht anders. Doch nicht nur das Erzählen, vor allem das Zuhören liegt mir am Herzen. Mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und die persönlichen Geschichten, Erfahrungen und Gedanken zu hören und zu verstehen.

Gerade das Beobachten der Menschen am krisenKONTERKIOSK gab Aufschluss darüber, was sie bewegt: Viele bewunderten die Blumen, Auberginen und Bohnen in den Hochbeeten oder verglichen den Geruch der unterschiedlichen Teesorten. Andere studierten die Plakate und Flyer am Kiosk, wieder andere machten Selfies oder aßen einfach nur ein Käsebrot. Die meisten sahen dabei sehr zufrieden aus!

Nicht nur die StudentInnen wünschen sich die langfristige Integration von mehr Grün in den Unialltag, auch viele zufällige, oft internationale BesucherInnen waren begeistert vom Projekt. Gerade für ältere Menschen ist die Landwirtschaft ein sehr emotionales Thema. Denn mit ihr verändert sich viel. Nicht nur global gesehen, sondern auch genau da, wo sie betrieben wird. Der Bauerngarten zwischen großen, grauen Unibauklötzen wurde als Oase wahrgenommen. Jung und Alt konnten hier abschalten, entspannen, verweilen. Ich habe gesehen, dass eine bunte, kreative, kleinstrukturierte Landwirtschaft, die man auch anfassen kann, direkte Auswirkungen auf die Menschen hat. Nicht nur politisch, vielmehr emotional – nämlich dann, wenn man ein Teil davon sein kann.

Persönliche Erfahrung als wichtiger Kompass für Nachhaltigkeit

Ich selbst bin quasi zwischen Kuhstall, Acker und Bauerngarten aufgewachsen. Manchmal fand ich die Begeisterung für die paar Hochbeete in Kassel fast übertrieben und dachte „ja, is‘ halt ‘n Garten“. Aber dann habe ich verstanden, dass dieser Garten für viele Menschen längst nichts Alltägliches mehr ist und deshalb eine große Bereicherung.
In einer Diskussionsrunde war die Frage: „Wie und wo können wir denn nun konkret etwas ändern? Wo setzten wir an?“ Keine leichte Frage, denn inzwischen ist es für die meisten VerbraucherInnen nicht leicht herauszufinden, welche Produkte die ökologisch und sozial verträglichsten sind. Regional? Bio? Fair? Selbst mit fast abgeschlossenem landwirtschaftlichem Studium verliert man leicht den Überblick. Wo können wir ansetzten?

100 Tage Erleben und Beobachten haben gezeigt, was das bisschen Acker zum Anfassen, Riechen, Ernten mit den Menschen gemacht hat. Es bewegt sie. Wir brauchen eine Landwirtschaft, die jeder sehen und anfassen kann, vor allem Kinder. Wir brauchen ein Bildungssystem, das Landwirtschaft und Ernährung zum Hauptfach macht. Wir brauchen engagierte KindergärtnerInnen und LehrerInnen, die mit den Kindern ackern, wir brauchen Höfe und Ställe mit offenen Toren. Wir brauchen Bäuerinnen und Bauern, die noch wissen, was da blüht und gerne von ihrer Leidenschaft erzählen. Mein Vater fängt seine Hofführungen meistens so an: „Bauer sein ist für mich der schönste Beruf den’s gibt.“ Deshalb weiß ich, dass es sich lohnt, weiter dafür zu kämpfen, dass dieser schönste Beruf erhalten bleibt. Damit alle anderen das auch wissen, müssen wir es ihnen nicht nur erzählen, sondern auch zeigen.
Rückenwind für AktivistInnen

Während der 100 Tage am Kiosk habe ich natürlich noch viele weitere Erfahrungen gemacht. Eine den größeren war sicherlich, dass es ziemlich gut tut Rückenwind zu haben. Bei einem Projekt, das von Herzblut und Engagement lebt, viele Höhen und einige Tiefen mit sich bringt, habe ich schnell gemerkt: Allein geht’s nicht! Ohne Familie und Freunde, die einspringen wenn sie gebraucht werden, hätte ich wohl keine 100 Kiosk-Tage durchgehalten. Diese Durchhaltekraft bewundere ich bei so vielen jungen und alten AktivistInnen, die schon seit vielen Jahren für ihre Überzeugungen kämpfen. Ich hoffe, der Wind weht noch lange weiter in die richtige Richtung!

Und es geht weiter…

Die Hochbeete werden vom studentisch betriebenen Café am selben Ort weiter bewirtschaftet und sind so weiterhin für alle zugänglich. Der Kiosk wird im nächsten Sommer in einem Kasseler Hausprojekt wieder aufgebaut und als soziale Plattform genutzt.

 

Ein Projektbericht von Lena Jacobi, Betreiberin des krisenKONTERKIOSK im Rahmen der documenta 2017. Headerfoto: Josef Jacobi, Fotogalerie: Daniel Münderlein.
Das Projekt wurde von der Schweisfurth Stiftung unterstützt.

Die internationale Vielfalt des Urban Gardening

„Soll ich die Bohne in meinen Hinterhof in Aleppo pflanzen oder lieber gleich meinen Hunger damit stillen, bevor sie möglicherweise später jemand schneller erntet als ich?“ Vor allem bei konkreten Projekten wurde es besonders spannend auf der von der Schweisfurth Stiftung unterstützten Internationalen Urban Farming Conference in Berlin am 11. und 12. September 2017.

177 Teilnehmende aus 30 Ländern spiegelten die Vielfalt der vertretenen Projekte wider. Marielle Dubbeling von der RUAF Foundation bezeichnete in ihrer Eröffnungsrede diese Vielfalt als Möglichkeit, um auf die unterschiedlichen Herausforderungen beim Urban Gardening individuelle Antworten zu finden.

Urbanes Gärtnern von Berlin bis Rosario

Vor Herausforderungen stehen sowohl die Projekte im globalen Süden, als auch die Teilnehmenden aus dem Norden. So beschrieben zum Beispiel die Mitglieder des Gemeinschaftsgartens Almende Kontor bei der Exkursion auf dem Tempelhofer Feld die Schwierigkeiten, die mit dem Strukturwechsel von einer „freien Gestaltung“ hin zu per Luftbild dokumentierten und nummerierten Beeten verbunden sind.

Mit ganz anderen Problemen beschäftigen sich die Projekte im globalen Süden: Am zweiten Konferenztag lag der inhaltliche Fokus darauf, welche Rolle Urban Farming hier in Krisenzeiten übernimmt, beziehungsweise inwiefern Krisen das urbane Gärtnern fördern. Dies wurde unter anderem in den Beiträgen von Javier Alejandro und Laura Bracalenti aus Rosario/Argentinien oder Zoé Beau von 15th Garden in Syrien deutlich.

Bei der Podiumsdiskussion und auch später bei der Abschlussdiskussion im Fishbowl-Format wurden inhaltliche Spannungen thematisiert, die mit dem Engagement des Nordens im Süden verbunden sein können. Zum Beispiel, wenn Studenten mit dem festen Vorsatz in den Süden reisen, dort etwas nach ihren Vorstellungen ändern zu wollen. Oder bei Projekten, die auf Grund des unterschiedlichen Materialzugangs im Norden und Süden nur bedingt übertragbar sind. Schade, dass kaum Zeit dafür blieb, mehr auf die Impulse, Fragen und Erfahrungen aus dem Publikum einzugehen.

Stadt-Land-Beziehung: eine internationale Herausforderung

Dr. Niels Kohlschütter, Geschäftsführer der Schweisfurth Stiftung, war mit einer interaktiven Präsentation des Stiftungs-Projekts Werkstatt Stadt – Land –Tisch vertreten. Die Werkstätten bieten Akteuren aus Stadt und Land einen Raum, um kreative Ideen, Produkte, soziale Innovationen oder das lokale Netzwerk weiterzuentwickeln. Der Fokus liegt dabei auf einer nachhaltigen Agrar- und Ernährungswirtschaft. Die Gestalterinnen und Mitmacher sind unter anderem Bürger*innen der Region, Landwirt*innen und Gärtner*innen, lokale Initiativen und Projekte, Start-ups, Handwerksbetriebe rund um die Lebensmittelverarbeitung oder Teilnehmende aus Politik und Verwaltung.

Der Vortrag knüpfte thematisch an den Workshop „Vernetzung Stadt-Land“ vom Vortag an: „Spannend! Sowohl der interaktive Einstieg in die Poster-Präsentation, als auch das Projekt Werkstatt Stadt – Land –Tisch an sich“, zeigte sich Martina Kolarek von der Initiative Die Boden Schafft Berlin interessiert, während immer mehr Menschen zu der regen Diskussion dazukamen.

Die Präsentation wird auf der Homepage der Grünen Liga zum Download bereitstehen.

Call for Papers zur Tagung „Ernährung kehrt in die Stadt zurück – Innovative Ansätze urbaner Food Governance“

Das Netzwerk Ernährungskultur (Esskult.net) & die Schweisfurth Stiftung/Deutsches Netzwerk Ernährungsethik (DNEE) laden Wissenschaftler/innen und Interessierte zur Tagung nach Fulda ein. Vom 9.-11. November 2017 stehen an der Hochschule Fulda urbane Ernährungssysteme und ihre Rolle in der kommunalen Nachhaltigkeits-Governance im Fokus. Ziel der Tagung ist es, neue Ansätze und Konzepte einer urbanen Food Governance zu beleuchten sowie ihre Potenziale und Grenzen auszuloten und zu diskutieren.

Wer kann am Call for Papers teilnehmen?

Eingeladen sind Wissenschaftler/innen unterschiedlicher Fachdisziplinen, wie Soziologie, Politikwissenschaften, Kulturwissenschaften, Ethnografie, Geschichtswissenschaften oder Geografie. Wir möchten vor allem Nachwuchswissenschaftler/innen auffordern, sich mit wissenschaftlich-theoretischen oder praxisorientierten-empirischen Beiträgen zu bewerben.

Bis 15. Juni 2017 können Abstracts mit max. 2.500 Zeichen zu den folgenden Fragestellungen rund um das Thema urbane Food Governance eingereicht werden:

  • Auf welche Probleme, gesellschaftliche Herausforderungen und Bedarfe reagieren die Projekte und Initiativen einer urbanen Food Governance?
  • In welchem Verhältnis definieren sie sich zur etablierten kommunalen Politik und anderen Stakeholdern (z. B. Ernährungswirtschaft)?
  • Welche Ziele verfolgen sie und welche Lösungsansätze stellen sie vor?
  • Welche Rolle spielen hierbei Konzepte, wie soziale Innovationen, Postkapitalismus / Postwachstum oder gesellschaftliche Transformation?
  • Mit welchen Herausforderungen sind die Projekte und Initiativen konfrontiert?
  • Welche Akzeptanz und welchen Zuspruch finden sie in der Bevölkerung?
  • Mit welchen alternativen Wertvorstellungen sind sie verbunden?
  • Inwieweit spielt hierbei die Integration Geflüchteter eine Rolle?

Genauere Informationen finden Sie im offiziellen Call for Papers.

Urban Food Governance

Veränderte Rahmenbedingungen im 21. Jahrhundert (wie globalisierter Handel von Lebens- und Futtermitteln, Urbanisierung oder Auswirkungen des Klimawandels) und neue Ansprüche der Konsument/innen in den westlichen Industrieländern (wie Nachhaltigkeit und Fairness) führen dazu, dass sich die städtische Lebensmittelversorgung grundlegend wandelt und die Ernährungspolitik in die Stadt „zurückkehrt“. Internationale Initiativen wie beispielsweise der Milan Urban Food Policy Pact appellieren an Kommunen und andere Stakeholder, die integrative Funktion des Themas Ernährung als Treiber für Stadtentwicklungsziele – wie Armutsbekämpfung, Klimaschutz, Gesundheit, Raumplanung und Bildung – zu nutzen, Projekte im Bereich der lokalen Lebensmittelproduktion zu fördern und urban-regionale Ernährungsstrategien zu entwickeln.

Ernährung kehrt in die Stadt zurück – Innovative Ansätze urbaner Food Governance
Termin: 9.-11. November 2017
Ort: Hochschule Fulda
Call for Papers: einzureichen bis spätestens 15. Juni 2017

Leuchtturmprojekt für urbane Agrikultur in Windhoek

Die namibianische Hauptstadt liegt im globalen Trend: Es wird erwartet, das sich die städtische Bevölkerung bis 2050 von 322.000 auf etwa 700.000 Menschen verdoppelt. Um die Ernährung der Einwohner heute und in Zukunft sicherzustellen, sieht das Projekt „Growing Food in Windhoek“ insbesondere die Regierung in der Pflicht an einer zukunftsfähigen urbanen Entwicklung mitzuwirken. Mit dem Unterzeichnen des Milan Urban Food Policy Pacts hat die Stadt ihre strategische Rolle in der Mitgestaltung anerkannt. Daran hat auch die von der Schweisfurth Stiftung geförderte Projektleiterin Ina Neuberger Wilkie, Senior Project Manager des World Future Councils, entscheidend mitgewirkt. Sie stellte am 2. April 2017 in Bregenz beim World Future Forum 2017 das erfolgreiche Projekt zur Bekämpfung von Hunger vor.

Eloolo Permaculture Initiative

Neben der Regierung, ist auch die Zivilgesellschaft in Windhoek in das Projekt einbezogen. Dem extremen Klima zum Trotz werden urbane Gärten angelegt, um Hunger, Unter- und Fehlernährung entgegenzuwirken. Dabei wird von den Gärtnern viel Geschick verlangt, denn die Anbauzeiträume sind kurz und müssen effizient gestaltet werden. Angewandt wird das Prinzip der Permakultur, das bereits Anfang der 70er Jahre von Bill Mollison und David Homgren insbesondere für trockene Landschaften entwickelt wurde. Dabei sollen Ökosysteme geschaffen werden, die die Diversität, Stabilität und Widerstandsfähigkeit von natürlichen Ökosystemen besitzen und so zeitlich unbegrenzt funktionieren. „Die Philosophie hinter Permakultur ist eine Philosophie, die mit und nicht gegen die Natur arbeitet.“, so Bill Mollison.

Reiche Ernte

Marula, Feigen, Papaya, Karee, Moringa, Tomaten, Zitronen, Mangold – die Früchte des Projekts wachsen. Neben der tatsächlichen Ernte werden best practice Beispiele und Know-How ausgetauscht, Stakeholder werden vernetzt und Lösungen in Workshops in Windhoek geteilt: im Grundschulgarten von Van Rhyn, auf lokalen Märkte wie dem Green Market, Okuryangava, Tukondejeni, The Organic Box und AMTA, in Management-Initiativen von Gärten und vielen mehr.

Fruchtbare Gärten in der Betonwüste

Schon langsam kommt wieder Bewegung in die Gärtnerei und den Garten im Leipziger Westen. Die ersten Vorbereitungen für das Frühjahr beginnen, die Anzucht von Jungpflanzen im Glashaus ist bereits in vollem Gang. Wir sind zu Besuch bei einem wahren Leuchtturmprojekt für nachhaltige Stadtteilentwicklung – der ANNALINDE gGmbH.

Ein Garten für alle

ANNALINDE betreibt urbane Landwirtschaft mitten in einem Wohngebiet in Leipzig. In mobilen Hochbeeten aus recycelten Paletten, in Reissäcken oder in Tetra-Paks werden Pflanzen angebaut. Die eifrigen Gärtner aus der Nachbarschaft verwenden dafür sortengerechtes Saatgut, chemische Düngemittel sind tabu. Dabei packen alle mit an – Kinder, Jugendliche, Erwachsene und passionierte Gärtner schaffen gemeinsam eine Oase der biologischen Vielfalt. Das Obst und Gemüse wird nicht nur zusammen gesät, gepflanzt und geerntet, sondern auch im Café vor Ort verarbeitet und konserviert. Zum Ursprungsprojekt, dem Gemeinschaftsgarten, kam im Jahr 2012 eine 5.000 m2 große Gärtnerei dazu und 2016 pachtete das gemeinnützige Unternehmen eine weitere Brachfläche und setzte darauf eine Streuobstwiese an.

Bei unserem Besuch Anfang Februar 2017 befand sich die Gärtnerei im Stadtteil Lindenau noch im Winterschlaf.

Bei unserem Besuch Anfang Februar 2017 befand sich die Gärtnerei im Stadtteil Lindenau noch im Winterschlaf.

Die Möglichmacher

Neben Mitgründer und Geschäftsführer Dominik Renner und dem Gärtner Philipp Scharf wird das Projekt unter anderem von einer Auszubildenden und bis zu fünf Bundesfreiwilligendienstleistenden getragen. „Es ist wirklich beeindruckend wieviel Herzblut die Beteiligten in das Projekt stecken – man fühlt sich hier sofort willkommen. Gleichzeitig ist die ANNALINDE gGmbH ein sehr professioneller und perfekt organisierter Betrieb, der eine Vielzahl an Projekten umsetzt und dafür bereits zahlreiche Auszeichnungen erhielt“, findet unser Mitarbeiter Matthias Middendorf, der die Gärtnerei im Anfang Februar besucht hat.

ANNALINDE Akademie

Seit 2014 bietet die gGmbH mit der ANNALINDE Akademie auch Umweltbildung für Schulen, Kitas und Unternehmen rund um den nachhaltigeren Umgang mit Lebensmitteln und Ressourcen. Die vielseitige Vorhaben der ANNALINDE wurden bereits als UN-Dekade-Projekt Biologische Vielfalt und als Werkstatt N Projekt ausgezeichnet und erhielt den Leipziger Agenda-Preis 2014 und 2015 sowie den 1. Preis in der Kategorie „regionaler Garten- und Gemüsebau“ beim Wettbewerb „BodenWertSchätzen“. „Das Projekt ANNALINDE zeigt, wie wichtig Gärten für Menschen und ihre Städte sind. Besonders beeindruckend ist die Vielzahl der Angebote, die der Garten bietet. Die Menschen haben Spaß und finden dort Ausgleich zu ihrem oft stressigen Alltag. Gleichzeitig lernen sie etwas über die Natur, die Vielfalt und vielleicht auch über sich selbst. Ein tolles Projekt, das als gutes Beispiel auch für andere Städte dient“, sagt UN-Dekade-Botschafterin Shary Reeves.

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Hinter den Kulissen beginnt im Frühjahr 2017 bereits die Anzucht von Jungpflanzen für die neue Saison in der Gärtnerei.

Zukunftspläne

Im Förderprojekt „Urbane Agrikultur im Leipziger Westen“ entwickelt das gemeinnützige Unternehmen die drei Bereiche Soziales, Ökologie und Ökonomie bis 20 18 kontinuierlich weiter. Es gibt schon zahlreiche Ideen für neue, einzigartige Projekte und die bestehenden Initiativen sollen weitergeführt und ausgebaut werden. Mittelfristig ist ein eigener Inklusionsbetrieb im Sinne einer sozialen Landwirtschaft in der Gärtnerei geplant.  Für diese Weiterentwicklung wird die ANNALINDE gGmbH vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und von der Stiftungsgemeinschaft Anstiftung & Ertomis gefördert. Die Schweisfurth Stiftung unterstützt das Projekt im Rahmen seines Entwicklungs- und Forschungsfeldes Stadt-Land-Tisch.

Einen inspirierenden Einblick in den grünen Stadt-Garten von ANNALINDE gibt dieser Filmbeitrag aus der ARTE-Reihe „Stadtoasen“.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.

Garteln in der Stadt: Interview mit Britta-Marei Lanzenberger

Die Gartensaison 2016 hat begonnen! Rund 50.000 Münchnerinnen und Münchner garteln in den unterschiedlichen gemeinschaftlich organisierten Urbanen Gärten. Aktuell werden Samen und Setzlinge getauscht und neue Pflanzen gezogen. Wir haben zu Saisonbeginn mit Britta-Marei Lanzenberger gesprochen, die das Projekt Urbane Gärten München koordiniert, welches u.a. durch die Schweisfurth Stiftung gefördert wird.

Schweisfurth Stiftung: Das „Netzwerk Urbane Gärten München“ wurde 2011 initiiert. Was war der Anlass für die Gründung der Initiative?

Britta-Marei Lanzenberger: Die BürgerStiftung München hatte damals festgestellt, dass sowohl sie, als auch die Selbach-Umwelt-Stiftung, teilweise in Kooperation mit dem Referat für Umwelt und Gesundheit, Schulgärten gefördert hatte. Gleichzeitig förderte die BürgerStiftung gemeinsam mit der anstiftung & ertomis einen interkulturellen Garten in München. Da der Stiftungszweck teilweise inhaltlich mit der Schweisfurth Stiftung und der Gregor Louisoder Umweltsstiftung übereinstimmte, bot es sich an, diese Überschneidungen auch durch eine gemeinsame Förderung zu einem größeren Schwerpunkt zusammenzubinden. Dieser ist die Förderung von Urbanen Gärten in München. Dazu gehört Öffentlichkeitsarbeit, politische Arbeit, Netzwerkarbeit und Bildungsarbeit.

Was konnte in den vergangenen fünf Jahren durch die Arbeit des Netzwerks erreicht werden?  

Es wurde eine Webseite erstellt, die alle Informationen zu Urbanen Gärten enthält. Es gab eine Recherche als Bestandsaufnahme aller Gärten in München – also Urbane Gärten, Schulgärten, therapeutische Gärten, Kleingärten, Krautgärten, deren Standorte auf einer differenzierten Karte auf der Webseite dargestellt wurde. Es wurden und werden Treffen und runde Tische mit den verschiedenen Gartengruppen organisiert; jährlich zwei Netzwerktreffen, zu denen alle Gärten eingeladen werden. Ein Kongress in der Technischen Universität München zum Thema und seine vielen ökologischen, sozialen und Bildungs- und Klimafunktionen fand großen Anklang. Als größtes Problem in München stellt sich nach wie vor die Frage nach Flächen, es gibt mehr Nachfrage als Angebot. Ein Gespräch mit der Stadtbaurätin wurde gesucht, verschiedene Referate eingebunden, ein Ansprechpartner gefunden. Das Netzwerk präsentiert sich und die Gärten regelmäßig auf öffentlichen Veranstaltungen, wie dem Saatgutfestival, dem Streetlife Festival oder dem PARKing Day. Es ist wichtig, der Öffentlichkeit aufzuzeigen, wie viele Gärten es in München gibt und welche Aufgaben sie haben. Dazu haben wir einen Strukturplan erstellt, der die Bedeutung von Gärten in der Stadt aufzeigt.

Wo sehen Sie aktuelle und zukünftige Herausforderungen für das „Netzwerk Urbane Gärten München“? 

Die größte Herausforderung ist die zunehmende Verdichtung der Stadt. Grundstücke werden immer rarer und teurer. Es geht dabei ja nicht nur um Flächen zum gemeinsamen Gärtnern sondern um Freiflächen überhaupt. Freiflächen bedeutet für uns eben nicht nur professionell gestaltete Flächen zur vorgeschrieben Nutzung sondern ungestaltete Flächen, die den BürgerInnen zur Verfügung stehen, um sie selber nach ihren Wünschen und Bedürfnissen völlig frei zu gestalten – oder vielleicht gar nicht gestalten – zu können. Um dieser Forderung Nachdruck zu geben, müssten sich aber die GärtnerInnen zusammenschließen und ihr Tun als gesellschaftlich-politische Handlung wahrnehmen. Das ist leider bisher kaum der Fall. Da wir in einer konsumorientierten Wohlstandgesellschaft leben, haben wir nicht wie in anderen Ländern (z.B. Kuba) den Druck, uns selber um die Herkunft von unseren Lebensmitteln zu kümmern. Das Gärtnern ist eine Art Luxusbeschäftigung. Wie wichtig diese Beschäftigung aber für unsere seelische Gesundheit ist, erkennen erst ganz wenige Menschen.

Was würden Sie sich wünschen? 

Ich wünsche mir, dass die Bedeutung und die positiven Einflüsse von Urbanen Gärten von der Stadtpolitik mehr wahrgenommen und anerkannt werden. Gartenflächen dürfen nicht als Konkurrenz zu Bauflächen wahrgenommen werden. Von den einzelnen Gärten – also den Gärtnerinnen und Gärtnern – wünsche ich mir, dass sie selber mehr über ihre Beetränder hinausschauen und ihr Tun – wie schon oben genannt – als gesellschaftlich wichtigen Beitrag erkennen. Dazu gehört auch mehr Vernetzung und Zusammenhalt untereinander.

Mit welchen Problemen sind die Gärtnerinnen und Gärtner, sowie die Gärten an sich, konfrontiert? Gibt es Vandalismus oder Diebstahl?  

Erfahrungsgemäß gibt es die größten Probleme innerhalb der Gartengruppen – da sind immer Menschen, die sehr aktiv sind und viel für die Gemeinschaft tun, und solche, die sich weniger engagieren und vielleicht nicht so gemeinschaftsorientiert handeln. Häufig sind die Hauptverantwortlichen überfordert und ziehen sich irgendwann zurück. Wenn es einen starken Wechsel bei den GärtnerInnen gibt, ist es schwierig, die Gruppe aufrecht zu erhalten und die neuen immer wieder einzubinden. Es gibt auch Fälle von Diebstahl, das kommt auch auf die Lage und Gestaltung der Gärten an. Man muss damit rechnen, dass mal ein Kohlkopf geklaut wird – bei uns waren es letztes Jahr allerdings alle 10 auf einen Schlag, das ist dann schon ärgerlich. Vandalismus ist glücklicherweise sehr selten.

Wie kann der interessierte Münchner Bürger mitgärtnern oder selbst einen Garten im urbanen Raum gründen? An wen kann ich mich wenden, wenn ich aktiv werden möchte?

Am besten auf unserer Webseite informieren. Da sind alle Gärten mit Ansprechpartner aufgelistet und beschrieben. Ein Garten sollte möglichst in der Nähe der Wohnung liegen oder auf dem Weg zum Arbeitsplatz, sonst geht die Lust daran schnell verloren. Dann sollte man prüfen, ob einem der Garten, das Konzept und die Menschen dort ansprechen. Möchte man selber einen Garten gründen, sollte eine Fläche vorhanden sein und möglichst auch Mitmacherinnen. Konkrete Unterstützung bei Gründung und Umsetzung gibt die anstiftung.

Welche Veranstaltungen und Aktionen sind vom Netzwerk in diesem Jahr geplant?  

Am 26.6.2016 ist Tag der Offenen Gartentür, an dem sich einige Gärten in München beteiligen. Am 17.7.2016 wird es eine Fahrradtour durch die Urbanen Gärten im Osten von München geben. Im September werden wir wieder am Streetlifefestival teilnehmen. Und am 11. November 2016 findet wieder unser Netzwerktreffen statt.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Britta-Marei-Lanzenberger
betreut seit Mai 2014 das Projekt „Netzwerk Urbane Gärten München“ und engagiert sich selbst im WerkBox³-Kultgarten. Das Netzwerk-Projekt geht auf eine Initiative von fünf Stiftungen, darunter die Schweisfurth Stiftung, im Jahr 2011 zurück. Es wird zudem durch das Münchner Referat für Gesundheit und Umwelt gefördert. Mehr Informationen zur Münchner Stiftungsinitiative für Urbanes Gärtnern finden Sie in unserer Projektbeschreibung.

Zum anschaun und mitmachen:

Großstadtgärtner in der BR-Mediathek: Ein Film von Julia Seidl
Einladung zur Webinar-Reihe der anstiftung: Kompost- und Trockentrenntoiletten für Gemeinschaftsgärten

Mehr grün wagen: Stiftungsinitiative für Urbanes Gärtnern

Gibt es in meiner Nähe einen Gemeinschaftsgarten? Wo bekomme ich Tipps, um eigenen Kompost herzustellen? Und kann mir jemand sagen, wo es gutes Saatgut gibt? Die Stiftungsinitiative für Urbanes Gärtnern bietet Antworten und vernetzt Selbstversorger und Gärtner in und um München.

Es grünt!
Um die 50.000 Münchnerinnen und Münchner sind bereits in unterschiedlich gemeinschaftlich organisierten Gärten in und um München aktiv. Die Vielfalt an städtischen Nutzgärten ist groß und die Nachfrage nach ihnen wächst. Dabei treffen traditionelle Formen des Gärtnerns auf neue, sozial innovative Nutzungskonzepte. Das Ergebnis sind Gemeinschafts-, Nachbarschafts- und Krautgärten, aber auch Interkulturelle, Pädagogische und Therapeutische Konzepte. Dazu kommen Schul- und Experimentier-, sowie Kleingärten. Alle Projekte bilden neue Räume der Begegnung, des Selbermachens und der Integration. Dabei sensibilisieren die Gärten die Stadtbewohner für lokale Lebensmittel und ihre Qualität.
Die Stiftungsinitiative für urbanes Gärtnern setzt sich seit 2011 für die Anerkennung und Ausweitung dieser neuen Formen des urbanen Gärtnerns in München ein und sorgt dafür, dass die Akteure im Großstadtdschungel zueinanderfinden.

Gemeinsam den Austausch fördern
Die Initiative bringt gemeinsam das Thema “Mehr Gärten in der Stadt” voran. Dazu haben sich die Schweisfurth Stiftung, die Bürgerstiftung München, die Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis, die Selbach Umweltstiftung und die Gregor Louisoder Umweltstiftung zusammengeschlossen. Das Projekt wird zudem durch das Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München unterstützt. Die Aufgaben sind die Vernetzung der urbanen Gärten, Öffentlichkeitsarbeit, politische Arbeit, die Organisation von Netzwerktreffen und Workshops, sowie die Betreuung des eigens entwickelten Internetportals.

Onlineplattform der Urbanen Gärten
Für die Arbeit wurde im Auftrag der Stiftungsinitiative eine Bestandsaufnahme der urbanen Gartenaktivitäten in und um München durchgeführt. Die Ergebnisse sind in die Entwicklung des Internetportals geflossen, welches seit Januar 2013 online ist. Das Portal stellt alle urbanen Gärten und Aktivitäten, sowie das Netzwerk von Organisationen aus dem Bereich urbane Landwirtschaft und Stadtökologie vor. Zudem gibt es Hintergrundinformationen, einen Terminkalender, ein Forum und ein „Schwarzes Brett“, auf dem zum Beispiel Pflanzen, Geräte oder Grundstücke angeboten und gesucht werden können. Außerdem verlinkt das Internetportal der Initiative auf eine eigene Übersichtskarte, auf der alle urbanen Gärten in München verzeichnet werden.

 

Kurz-gut

Projektname: Stiftungsinitiative für Urbanes Gärtnern
Startschuss:
2011
Status:
läuft
Wirkungskreis:
lokal
Zielgruppe:
Urbane Gärten in und um München, GärtnerInnen, Interessierte
Maßnahme:
Gründungsmitglied der Stiftungsinitiative
Ansprechpartnerin:
Britta-Marai Lanzenberger, Bürgerstiftung München
Mehr unter:
http://urbane-gaerten-muenchen.de/

Da wächst was! Netzwerktreffen Urbaner Gärnter

Die Stadt München wird immer mehr verdichtet, Grundstücke teurer und Brachflächen seltener. Somit werden Urbane Gärten immer wichtiger, deren Gestaltung umso schwieriger. „Wie wichtig sind Urbane Gärten in der Stadt? Wie wichtig nehmen wir uns?“ Zu diesem Thema hat die Stiftungsinitiative für urbanes Gärtnern am 31. Oktober 2015 zum vierten Netzwerktreffen eingeladen. Rund 25 TeilnehmerInnen, die in unterschiedlichen Gartenprojekten wie Nachbarschafts-, Kraut- oder Experimentiergärten aktiv sind, nahmen trotz bestem Gartenwetter am Vernetzungstreffen im ÖBZ teil. Auch zwei Interessierte, die bisher noch in keinem Gartenprojekt organisiert waren, sind der Einladung gefolgt.

„Bauflächen entstehen, auch wenn man sich nicht um sie kümmert! Freiflächen verschwinden, wenn man sich nicht um sie kümmert.“

Selbstverständnis Urbanes Gärtnern
Schon 1932 formulierte der hamburgische Oberbaudirektor Fritz Schumacher das Problem der Stadtverdichtung treffend, wie gegenwärtig beim drohenden Aus für die Münchner Gärten der Kulturen deutlich wird. Unter diesem Eindruck wurde die Frage „Wie wichtig sind Urbane Gärten in der Stadt? Wie wichtig nehmen wir uns?“ in der Gruppe diskutiert. Dabei stellte Dr. Christa Müller von der Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis heraus, dass das Gärtnern in der Stadt immer auch ein Politikum darstelle. Viele Urbane Gärten besitzen gegenwärtig keine Planungssicherheit, da die Nutzung der Grundstücke nicht immer langfristig durch die Stadt gesichert wird. GärtnerInnen dürfen deswegen aber nicht als Bittsteller auftreten, betonte Barbara Wolter von der Bürgerstiftung München. Immerhin tragen Urbane Gärten zur Verbesserung der Umwelt bei, fördern ein soziales Miteinander und die Gesundheit. Außerdem sind die Gärten ein wichtiger Bildungsfaktor und ermöglichen eine positive Zivilgesellschaft. Sie fördern beispielsweise Kreativität und Engagement. Diese Leistungen müssen stärker gesehen und durch die BürgerInnen, Politik und Verwaltung wertgeschätzt werden, sind sich die TeilnehmerInnen des Netzwerktreffens einig.

Gestaltung von Begegnungsräumen
Dazu kann eine bessere Vernetzung unter den verschiedenen Urbanen Gärten beitragen. Wichtig dafür ist, dass die Informationen aus den einzelnen Garteninitiativen an Britta-Marei Lanzenberger weitergeleitet werden, die das Projekt für die Stiftungsinitiative koordiniert und die Homepage betreut. Andererseits müsse das Internetportal der Stiftungsinitiative unter den aktiven GärtnerInnen und Interessierten bekannter gemacht werden. Eine andere Frage ist: Wie bekommt man die unterschiedlichen Stadtreferate an einen Tisch, die für Urbane Gärten zuständig sind? Dieser Frage wird eine auf dem Netzwerktreffen gebildete Strukturgruppe nachgehen. Bis zum nächsten Treffen im März 2016 sollen konkrete Vorschläge zur Lösung ausgearbeitet werden.

 

Gärten sehen: Wie in München ganz konkret Urbane Gärten gestaltet werden, wird in diesem kurzen Film am Beispiel des Kultgartens am Ostbahnhof veranschaulicht.

Gärten entdecken: Das Internetportal der Stiftungsinitiative für urbanes Gärtnern stellt alle urbanen Gärten in und um München, Hintergrundinformationen, einen Terminkalender, ein Forum und „Schwarzes Brett“ als Vernetzungsplattform zur Verfügung.

Gärten hören: Der Radiobeitrag von Radio Lora mit Ella von der Haide, Anja vom Kultgarten, Daniel von o´pflanzt is und Silvia Gonzales von GreenCity e.V. auf dem YouTube-Kanal der Stiftungsinitiative.