Forschungsprojekt WertKalb: Für mehr Tierwohl in der Milchviehbranche
„Das kurze, kranke Leben der Mastkälber ist nichts als ein Kollateralschaden der modernen Milchproduktion“, so bringt die deutsche Journalistin, Autorin und Kuratorin der Schweisfurth Stiftung Tanja Busse in ihrem Buch „Die Wegwerfkuh“ die aktuelle Situation der Kälber auf den Punkt. Die hohe Spezialisierung der Milchproduktion ist mit der Erzeugung „überschüssiger“ Kälber verbunden. Die aktuellen Preise für Kälber decken i.d.R. nicht die Kosten, die ein/e LandwirtIn für eine tierwohlgerechte Aufzucht benötigen würde. Das bringt LandwirtInnen in eine ökonomisch-ethische Dilemma-Situation. Das Forschungsprojekt WertKalb setzt sich genau mit dieser Problematik auseinander und nimmt die gesamte Wertschöpfungskette der Milchviehhaltung, d.h. von der Tierzüchtung über die Tierhaltung bis hin zur Vermarktung, unter die Lupe. Ziel dabei ist es, Lösungsstrategien zu entwickeln, um der Produktion „überschüssiger“ Kälber und dessen, aus tierethischer Sicht, sehr problematischen Folgen entgegenzuwirken. Insgesamt beteiligen sich 21 Organisationen, u.a. die Schweisfurth Stiftung, an dem Verbundprojekt, das von der Universität Hohenheim geleitet und vom Land Baden-Württemberg finanziell gefördert wird.
Das Projekt WertKalb: Partizipativ und praxisorientiert das Tierwohl der Kälber steigern
In der Vorphase des WertKalb-Projektes wurden in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit Bio-LandwirtInnen, VertreterInnen der Bio-Verbände, Erzeuger- und Absatzgemeinschaften sowie weiteren ExpertInnen innovative, wertschöpfende und einem hohen Tierwohl-Standard entsprechende Lösungsstrategien in den Bereichen Tierzüchtung, Tierhaltung und Vermarktung identifiziert. Ein Beispiel hierfür sind die verschiedenen Formen der kuhgebundenen Kälberaufzucht, die von engagierten Milchbäuerinnen und Milchbauern u.a. in Baden-Württemberg in den letzten Jahren entwickelt und in der Praxis erprobt wurden. Ziel der im Juni 2020 gestarteten Hauptphase ist es nun, diese Lösungsansätze hinsichtlich ihres Potenzials zur Steigerung des Tierwohls und für eine flächendeckende Verbreitung zu überprüfen. Die Schweisfurth Stiftung trägt im Verbundprojekt insbesondere im Bereich der kuhgebundenen Kälberaufzucht mit ihrer Erfahrung aus der Organisation von Praxisdialogen und mit ihrem deutschlandweiten Netzwerk zum Projekt bei.
Projekthintergrund: Effizienz und Tierethik – ein Widerspruch
In spezialisierten Milchviehbetrieben werden nicht alle geborenen Kälber benötigt und können daher nicht dort aufgezogen werden. Insbesondere Bullenkälber, aber auch ein Teil ihrer Schwestern werden nicht für die Milchproduktion gebraucht und deshalb im Alter von nur zwei bis fünf Wochen an Mastbetriebe in Norddeutschland oder im Ausland abgegeben. Die tierethischen Probleme dieser Überproduktion sind offensichtlich: Langzeittransporte quer durch Deutschland bzw. Europa sowie die generelle Problematik der Trennung der Kälber von der Mutterkuh direkt nach der Geburt. Diese Problematik ist ein Paradebeispiel für das komplexe Zusammenspiel technologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen und der Wahrung tierethischer Prinzipien. Das Forschungsprojekt WertKalb untersucht daher gezielt Möglichkeiten, um der Produktion „überschüssiger“ Kälber und dessen, aus tierethischer Sicht, sehr problematischen Folgen entgegenzuwirken.
Ausführliche Informationen zu dem Forschungsprojekt WertKalb finden Sie hier.
Erfahren Sie mehr über das Engagement der Schweisfurth Stiftung im Bereich kuhgebundenen Kälberaufzucht.