(c) Barbara Lex

Faire Wiesn

Das Oktoberfest muss Vorreiter für eine Ernährungswende in München werden. Genuss, Gaudi und Nachhaltigkeit gehören zusammen!

Das Oktoberfest ist das größte Volksfest der Welt. Mehr als sechs Millionen Gäste verspeisen dort jährlich etwa 500.000 Hähnchen, die zum größten Teil aus konventionellen Mastanlagen stammen. Die Initiative #fairewiesn fordert mehr Nachhaltigkeit auf der Wiesn und bei allen anderen Großveranstaltungen in München. Gemeinsam mit 30 Projektpartner:innen setzen wir uns dafür ein, dass die Feste nur noch biologische, regionale und saisonale Lebensmittel verwenden und so Leuchtturmprojekte zum Nachahmen werden. Um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, machten wir bei der Aktion „Hendlsauerei – the Dark Side of the Wiesn“ im Mai 2022 an drei Tagen auf dem Marienplatz auf die Folgen der Massentierhaltung für Mensch, Tier und Umwelt aufmerksam.

Kein Klimaschutz ohne Ernährungswende

Auch der Münchner Stadtrat sieht Notwendigkeit zum Handeln: Er beschloss, dass die bayerische Hauptstadt bis 2035 klimaneutral sein soll. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn auch eine Ernährungswende stattfindet. Deshalb hat die Initiative #fairewiesn einen Forderungskatalog an den Stadtrat weitergereicht, in dem wir ihn u. a. dazu aufrufen, Fleisch aus industrieller Intensivtierhaltung abzuschaffen und Anreize für vegetarische und vegane Speisen einzuführen. Der kurze Film Gemeinsam für eine #fairewiesn stellt die Initiative vor.

Drei Gastrobetriebe mit „Tierschutz-Kochmütze“ ausgezeichnet

In Restaurants, Mensen oder Kantinen spielt die Haltung der verarbeiteten Tiere leider immer noch eine untergeordnete Rolle. Mit der Auszeichnung „Tierschutz-Kochmütze“ im Rahmen des Projekts „Tierschutz auf dem Teller®“ fördern die Schweisfurth Stiftung und der Köche-Verband Euro Toques Deutschland e.V. die stärkere Verankerung des Tierschutzgedankens in der Außer-Haus-Verpflegung. In 2021 wurden drei Gastrobetriebe aufgrund ihres herausragenden Engagements prämiert.

Genießen mit gutem Gewissen: Den besonderen Einsatz von gleich drei Gastronomiebetrieben für mehr Tierwohl hat die Schweisfurth Stiftung im Oktober 2021 mit der „Tierschutz-Kochmütze“ ausgezeichnet. Das HofGut Scheunenwirtin auf der Ostalb, der Schul-Caterer Wackelpeter und das Restaurant Wolfs Junge aus Hamburg dürfen sich ab sofort mit dieser jährlich vergebenen Auszeichnung schmücken. Sie richtet sich an Restaurants, Caterer oder Kantinen, die sich herausragend für das Tierwohl und eine hohe ökologische Qualität ihrer Speisen einsetzen.

HofGut Scheunenwirtin mit umfangreichem Nachhaltigkeitskonzept

Qualität, Regionalität sowie ökologische Erzeugnisse stehen bei der Scheunenwirtin genauso wie Tierwohl und Handwerk ganz oben auf der Agenda. Die Inhaber:innen der Scheunenwirtin setzen auf ein umfangreiches Nachhaltigkeitskonzept. Alle Zutaten für die Gerichte stammen zu 100 Prozent aus ökologischer Landwirtschaft und werden zum größten Teil im Umkreis von nur 50 Kilometern produziert. Besonders im Blick hat das Küchenteam das Wohl der Tiere: Das Fleisch wird von Bauern bezogen, die alte, früher für die Region typische Nutztierrassen halten. Es wird darauf geachtet, dass die Tiere viel im Freien sind und stressfrei, möglichst am Bauernhof direkt geschlachtet werden. Schließlich verarbeitet das Hofgut das gesamte Tier: von der Schnauze bis zum Schwanz.

Schul-Caterer Wackelpeter und Restaurant Wolfs Junge vorbildlich

Der Schul-Caterer Wackelpeter und das Restaurant Wolfs Junge aus Hamburg setzen beide erfolgreich auf bio-zertifizierte, möglichst regionale Zutaten sowie auf tierische Produkte aus besonders artgerechter Tierhaltung. Der Wackelpeter kocht bis zu 3.000 leckere Essen aus Bio-Zutaten täglich frisch für Hamburger Kinder. Rund 60 Prozent der eingekauften Lebensmittel stammen direkt von Bauernhöfen aus der Region. Auch die Lebensmittel, die im 2018 eröffneten Restaurant Wolfs Junge auf den Teller kommen,
haben Bio-Qualität und stammen zum größten Teil direkt von Höfen rund um Hamburg. Bei Fleisch, Eiern und Milchprodukten wird dabei großer Wert auf Demeter- oder Bioland-Standards gelegt.

Wir gratulieren den Trägern der Tierschutz-Kochmütze ganz herzlich und hoffen auf vielfache Nachahmung in ganz Deutschland!

Möchten Sie Ihr Lieblingsrestaurant, Ihre Kantine oder die Schule Ihrer Kinder für 2022 nominieren? Oder Möchten Sie sich als Betrieb mit Ihrem Team bewerben? Dann bewerben & nominieren Sie Ihren oder Ihre Kandidat:in.

Mehr Informationen zur Initiative Tierschutz auf dem Teller.

Forschungsprojekt mehrWERT Öko-Milch+Fleisch

Bio-Milch und Bio-Fleisch gehören zusammen! Aktuell werden Milcherzeugung und Fleischerzeugung allerdings in der Regel nicht zusammengedacht. Die Konsequenz: Nur in wenigen Fällen können die männlichen Kälber aus Öko-Milchviehbetrieben im Öko-Sektor gehalten werden. Das Forschungsprojekt mehrWERT Öko-Milch+Fleisch, gefördert vom Bayerischen Staatministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, beschäftigt sich genau mit dieser Problematik. Das Forschungsziel: Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, um Bio-Kälbern auch ein Bio-Leben zu ermöglichen. Durchgeführt wird das dreijährige Forschungsprojekt von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft und der Schweisfurth Stiftung.

Projektziel: Ein Bio-Leben für Bio-Kälber

Das Hauptziel des Forschungsprojektes ist es, Konzepte zu entwickeln, um mehr männliche Kälber aus ökologischer Produktion im Öko-Sektor zu halten sowie Möglichkeiten zur artgemäßen Aufzucht und der Vermarktung von Öko-Rindfleisch aufzuzeigen. Dazu ist das Projekt in drei Teilbereiche gegliedert: Im ersten Bereich liegt der Forschungsschwerpunkt auf der Analyse des Status Quo der Öko-Milchviehkälber und der Identifikation von Verbesserungspotenzialen. Dazu werden Daten von bayerischen Milchviehbetrieben erhoben und ausgewertet. Hauptverantwortlich ist dafür die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Im zweiten Forschungsbereich liegt der Fokus auf der ökonomischen Einordnung der Verfahren zur kuhgebundenen Kälberaufzucht. Im Rahmen dessen werden bei ca. 30 ausgewählten Betrieben die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Umstellung auf kuhgebundenen Kälberaufzucht untersucht. Hier übernimmt die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft die Projektleitung. Der dritte Teilbereich umfasst den modellhaften Aufbau von neuen Wertschöpfungsketten für Milch und Fleisch aus kuhgebundener Kälberaufzucht. Diesen Forschungsschwerpunkt verantwortet die Schweisfurth Stiftung und bringt ihrer Erfahrung und Know-how aus dem Forschungsprojekt WertKalb und dem Stiftungsprojekt zur Kuhgebundenen Kälberaufzucht ein.

Projekthintergrund: Bio-Milch und Bio-Fleisch gehören zusammen

Die hohe Spezialisierung der Milchproduktion ist mit der Erzeugung „überschüssiger“ Kälber verbunden: Um Milch geben zu können, müssen Kühe immer wieder kalben. Aber nur wenige Jungtiere werden für die Nachzucht benötigt. Die aktuellen Preise für Kälber decken in der Regel nicht die Kosten, die ein/e Landwirt:in für eine tierwohlgerechte Aufzucht benötigen würde. Ein zentraler Grund dafür ist das starke Missverhältnis der Nachfrage nach Bio-Milch und Bio-Rindfleisch: Bio-Milch und -Milchprodukte sind seitens der Verbraucher:innen stark gefragt, Bio-Rindfleisch hingegen nur sehr wenig. Ulrich Mück, Demeter-Berater in Bayern, hat ausgerechnet, dass je Liter Milch etwa 25 Gramm Rindfleisch entstehen. Das heißt, für ein ausgewogenes Verhältnis von Milch und Fleisch müsste die derzeitige Nachfrage nach Bio-Rindfleisch stark steigen. Die Folge dieses Missverhältnisses: Der überwiegende Anteil der Kälber von Öko-Milchviehbetrieben wird an den konventionellen Viehhandel abgegeben und damit in eine weniger artgerechte Aufzucht. In der Verbreitung der kuhgebundenen Kälberaufzucht wird, neben der Steigerung des Tierwohls, auch das Potenzial gesehen der Erwartungen der Verbraucher:innen mehr zu entsprechen und damit den Absatz von Bio-Rindfleisch zu steigern und das Verhältnis von Milch und Fleisch wieder in eine bessere Balance zu bringen.

 

Biofach 2021: Impulse setzen, Wandel gestalten

„Shaping Transformation. Stronger. Together“ – das war das diesjährige Motto der Weltleitmesse Biofach, die in diesem Jahr statt im Nürnberger Messezentrum digital stattfand. Für einen Wandel, hin zu einer zukunftsfähigen Land-und Lebensmittelwirtschaft, engagiert sich die Schweisfurth Stiftung seit ihrer Gründung. Selbstverständlich also, dass sie als Impulsgeberin und Gestalterin einer öko-sozialen Agrarkultur mit einer Vielzahl an Projekten und Themen vertreten war – ein Rückblick: (c) BioThesis/Biofach

„Auch in diesem Jahr hat die Biofach gezeigt, dass es viele innovative und vielversprechende Handlungsansätze für die vielfältigen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit gibt. Besonders begeistert hat mich Konstantin Schwemmlein, einer der diesjährigen Gewinner des Forschungspreises BioThesis“, resümiert Dr. Niels Kohlschütter, Vorstand der Schweisfurth Stiftung. Die Auszeichnung wird seit 2014 jährlich von der Schweisfurth Stiftung gemeinsam mit der Lebensbaum Stiftung, der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller sowie der Biofach für herausragende wissenschaftliche Abschlussarbeiten verliehen, die sich mit der Herstellung, Vermarktung oder Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln auseinandersetzen. Konstantin Schwemmlein überzeugte die Jury mit seiner innovativen Idee die Blockchain Technologie[1] mit dem Biomarkt zu verbinden. Das Potenzial: Schaffung einer höheren Transparenz und Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette sowie das Sichtbarmachen sämtlicher produktbezogener Herstellungs- und Transportbedingungen. „Konstantin nimmt sich in seiner Bachelorarbeit einer zentralen Herausforderung an: Wie lässt sich der ökologische und soziale Mehrwert eines Bio-Produktes für Verbraucher:innen erkennbar und erlebbar machen? Mit der Blockchain Technologie hat er hier einen spannenden Ansatz entwickelt“, kommentiert Kohlschütter. Alle Preisträger:innen und Informationen zu den ausgezeichneten Abschlussarbeiten finden Sie hier.

Ökologische Agrarkultur voranbringen

Dass die Schweisfurth Stiftung sich für eine zukunftsfähige Land- und Lebensmittelwirtschaft einsetzt, zeigt sich neben der Förderung des Forschungspreise BioThesis, an den zahlreichen weiteren Vorträgen:

  • Saro Ratter, Projektmanager der Schweisfurth Stiftung, stellte gemeinsam mit der Bruderkalb Initiative Hohenlohe, den Demeter Milchbauern Süd w.V. und De Öko Melkburen GmbH Kriterien für kuhgebundene Kälberaufzucht vor. Ausführliche Informationen können der Pressemitteilung entnommen werden.
  • Außerdem beteiligte sich Dr. Niels Kohlschütter an der Diskussion des Bündnis für eine engeltaugliche Landwirtschaft über die im September 2020 veröffentlichte Studie Pestizid-Belastung in der Luft und welche konkreten Handlungsschritte jetzt folgen müssen.
  • Und auch das Projekt WERTvoll war auf dem Kongress vertreten. Konkret ging es um die Frage, wie Stadt-Land-Partnerschaften durch neue nachhaltige Produkte gestärkt werden können.

Vertreten mit dieser Themenvielfalt bestätigt die Schweisfurth Stiftung einmal mehr ihre Rolle als Impulsgeberin und Gestalterin einer zukunftsfähigen, ökologischen Agrarkultur.

[1] Die Blockchain-Technologie ermöglicht es mithilfe einer dezentralen, von vielen genutzten Datenbank, Daten fälschungssicher zu übermitteln.

Auf dem Foto v.l.n.r.: Dr. Niels Kohlschütter und Saro Ratter, beide Schweisfurth Stiftung

Genuss mit bestem Gewissen garantiert! Zwei Betriebe mit der Tierschutz-Kochmütze ausgezeichnet

Bio, regional und tierische Produkte aus artgerechter Haltung – bei vielen zuhause schon eine Selbstverständlichkeit, in Restaurant, Kantine & Co. häufig jedoch noch eine Seltenheit. Doch es gibt sie: Die Betriebe, die vorangehen und zeigen, dass Genuss, Qualität und ein verantwortungsvoller Umgang mit Lebensmitteln auch in der Außer-Haus-Verpflegung möglich sind. Und genau dieses Engagement zeichnet die Schweisfurth Stiftung seit 2008 im Rahmen der Initiative Tierschutz auf dem Teller® aus. In diesem Jahr geht die Auszeichnung – in Form der „Tierschutz-Kochmütze“ – an das Catering-Unternehmen ALBRECHTHOF im oberbayerischen Oderding und an das Nürnberger Tiergartenrestaurant „Waldschänke“.

Catering-Unternehmen ALBRECHTHOF – Ein Leuchtturm für die gesamte Branche

Dass eine gesunde Ernährung, ein abwechslungsreicher Speiseplan und 100% Bio auch in der Verpflegung für Schulen, Kindergärten und Kitas erfolgreich sein können, zeigt das Catering-Unternehmen ALBRECHTHOF im oberbayerischen Oderding, das seit 2010 Kitas, Kindergärten und Schulen bei der täglichen Essensversorgung der Kinder unterstützt. Von Anfang an setzten die Inhaber Lena und Martin Albrecht dabei auf die Verwendung von bio-zertifizierten und regionalen Lebensmitteln. Als Mitglied von Slow Food Deutschland e.V. will der ALBRECHTHOF zudem einen Beitrag leisten, dass auch zukünftige Generationen mündige KonsumentInnen sind und eine nachhaltige Esskultur pflegen. „Das ganzheitliche Konzept, welches Ernährungsbildung mit der Verarbeitung qualitativ hochwertiger Lebensmittel und Genuss für Kinder kombiniert, begeistert die Jury. Lena und Martin Albrecht zeigen nicht nur, wie eine kindgerechte, nachhaltige Verpflegung aussehen kann, sondern auch, dass sie möglich ist. Wir wünschen uns, dass dieses Beispiel viele weitere Akteure im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung dazu inspiriert, den Speiseplan auf „Bio“ umzustellen“, begründet Dr. Niels Kohlschütter, Vorstand der Schweisfurth Stiftung, die Jury-Entscheidung.

Tiergartenrestaurant „Waldschänke“ in Nürnberg: Ganzheitlicher Ansatz überzeugt

Bio-zertifizierte Zutaten aus der Region, tierische Produkte aus artgerechter Haltung und eine einzigartige kulinarische Vielfalt garantieren den Gästen des Nürnberger Tiergartenrestaurants Waldschänke Genuss mit bestem Gewissen. Insbesondere bei tierischen Produkten sind dem Inhaber Peter Noventa Herkunft und Qualität wichtig: „Wir verarbeiten ausschließlich bio-zertifiziertes Fleisch. Ausnahme ist derzeit das Lammfleisch der alten Rasse „Coburger Fuchs“. Deren Lämmer beziehen wir im Ganzen und verarbeiten alle Teile (= „Nose to Tail“) und nicht nur die Edelteile.“ Kochkunst bedeutet für Noventa auch kreativ mit Resten umzugehen. Werden zum Beispiel die Soßen selbstgezogen, macht er von Zitronenabschnitten Limoncello oder kreiert damit feine Fruchtchutneys. „Genau das hat uns als Jury begeistert: Sowohl beim Einkauf der Zutaten als auch bei der Verarbeitung wird auf Nachhaltigkeit geachtet. Dies macht das Tiergartenrestaurant „Waldschänke“ zu einem herausragenden Beispiel, das zeigt, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit Lebensmitteln auch in der Außer-Haus-Verpflegung möglich ist“, kommentiert Georg Schweisfurth, Laudator, Jury-Mitglied und Kurator der Schweisfurth Stiftung.

Als ausgezeichnete Betriebe tragen das Restaurant „Waldschänke“ und das Catering-Unternehmen ALBRECHTHOF nun als Botschafter den Tierschutz auf dem Teller in die kulinarische Welt hinaus.

 

Forschungsprojekt WertKalb: Für mehr Tierwohl in der Milchviehbranche

„Das kurze, kranke Leben der Mastkälber ist nichts als ein Kollateralschaden der modernen Milchproduktion“, so bringt die deutsche Journalistin, Autorin und Kuratorin der Schweisfurth Stiftung Tanja Busse in ihrem Buch „Die Wegwerfkuh“ die aktuelle Situation der Kälber auf den Punkt. Die hohe Spezialisierung der Milchproduktion ist mit der Erzeugung „überschüssiger“ Kälber verbunden. Die aktuellen Preise für Kälber decken i.d.R. nicht die Kosten, die ein/e LandwirtIn für eine tierwohlgerechte Aufzucht benötigen würde. Das bringt LandwirtInnen in eine ökonomisch-ethische Dilemma-Situation. Das Forschungsprojekt WertKalb setzt sich genau mit dieser Problematik auseinander und nimmt die gesamte Wertschöpfungskette der Milchviehhaltung, d.h. von der Tierzüchtung über die Tierhaltung bis hin zur Vermarktung, unter die Lupe. Ziel dabei ist es, Lösungsstrategien zu entwickeln, um der Produktion „überschüssiger“ Kälber und dessen, aus tierethischer Sicht, sehr problematischen Folgen entgegenzuwirken. Insgesamt beteiligen sich 21 Organisationen, u.a. die Schweisfurth Stiftung, an dem Verbundprojekt, das von der Universität Hohenheim geleitet und vom Land Baden-Württemberg finanziell gefördert wird.

Das Projekt WertKalb: Partizipativ und praxisorientiert das Tierwohl der Kälber steigern

In der Vorphase des WertKalb-Projektes wurden in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit Bio-LandwirtInnen, VertreterInnen der Bio-Verbände, Erzeuger- und Absatzgemeinschaften sowie weiteren ExpertInnen innovative, wertschöpfende und einem hohen Tierwohl-Standard entsprechende Lösungsstrategien in den Bereichen Tierzüchtung, Tierhaltung und Vermarktung identifiziert. Ein Beispiel hierfür sind die verschiedenen Formen der kuhgebundenen Kälberaufzucht, die von engagierten Milchbäuerinnen und Milchbauern u.a. in Baden-Württemberg in den letzten Jahren entwickelt und in der Praxis erprobt wurden. Ziel der im Juni 2020 gestarteten Hauptphase ist es nun, diese Lösungsansätze hinsichtlich ihres Potenzials zur Steigerung des Tierwohls und für eine flächendeckende Verbreitung zu überprüfen. Die Schweisfurth Stiftung trägt im Verbundprojekt insbesondere im Bereich der kuhgebundenen Kälberaufzucht mit ihrer Erfahrung aus der Organisation von Praxisdialogen und mit ihrem deutschlandweiten Netzwerk zum Projekt bei.

Projekthintergrund: Effizienz und Tierethik – ein Widerspruch

(c) Ökolandbau Forschung B-W

Übersicht über die Projektpartner des Forschungsprojekts WertKalb in Baden-Württemberg. Quelle: https://oekolandbauforschung-bw.uni-hohenheim.de

In spezialisierten Milchviehbetrieben werden nicht alle geborenen Kälber benötigt und können daher nicht dort aufgezogen werden. Insbesondere Bullenkälber, aber auch ein Teil ihrer Schwestern werden nicht für die Milchproduktion gebraucht und deshalb im Alter von nur zwei bis fünf Wochen an Mastbetriebe in Norddeutschland oder im Ausland abgegeben. Die tierethischen Probleme dieser Überproduktion sind offensichtlich: Langzeittransporte quer durch Deutschland bzw. Europa sowie die generelle Problematik der Trennung der Kälber von der Mutterkuh direkt nach der Geburt. Diese Problematik ist ein Paradebeispiel für das komplexe Zusammenspiel technologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen und der Wahrung tierethischer Prinzipien. Das Forschungsprojekt WertKalb untersucht daher gezielt Möglichkeiten, um der Produktion „überschüssiger“ Kälber und dessen, aus tierethischer Sicht, sehr problematischen Folgen entgegenzuwirken.

Ausführliche Informationen zu dem Forschungsprojekt WertKalb finden Sie hier.

Erfahren Sie mehr über das Engagement der Schweisfurth Stiftung im Bereich kuhgebundenen Kälberaufzucht.

Kuhgebundene Kälberaufzucht: Echtes Tierwohl von Anfang an!

In Deutschland werden jedes Jahr fast vier Millionen Kälber geboren. In der Regel werden sie kurz nach der Geburt von der Mutterkuh getrennt, denn die Tränke aus dem Nuckel-Eimer gilt als ökonomisch vorteilhafter als eine Aufzucht durch die Mutterkuh. Ein Ausleben von artgerechtem Verhalten wie Saugen am Euter und Ablecken des Kalbes durch die Kuh ist so nicht möglich.

Es geht auch artgerechter!

Eine tierfreundlichere Alternative zu den heute gängigen Tränke- und Aufzucht-Systemen von Kälbern ist die kuhgebundene Aufzucht. Dies bedeutet, dass die Kälber von der eigenen Mutter oder einer Ammenkuh gesäugt werden und täglich Kontakt mit erwachsenen Kühen haben. Studien zeigen, dass sich dies positiv auf Gesundheit, Entwicklung und Sozialverhalten der Kälber auswirkt. Dabei profitieren –  neben den Kälbern – auch die Landwirte: Sie berichten häufig, dass ihnen durch die kuhgebundene Kälberaufzucht die Arbeit mit den Tieren mehr Freude bereitet und die monotone Arbeiten der Eimertränke wegfallen.

Herausforderung für die Praxis

Trotz dieser Vorteile für Mensch und Tier wird die kuhgebundene Aufzucht nur von sehr wenigen Milchviehbetrieben praktiziert. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Zum einen sprechen wirtschaftliche Faktoren dagegen. So lange die Preise für Produkte aus dieser Haltungsform die höheren Kosten nicht decken, stellt dies eine Hürde für die Landwirte dar. Zum anderen fehlt es häufig an Wissen bei Praktikern, Fachberatern und Stallbauplanern wie eine kuhgebundene Kälberaufzucht praktisch umgesetzt werden kann.

Es gibt Handlungsbedarf!

Nur eine kuhgebundene Kälberhaltung ist mit den ethischen Grundsätzen der ökologischen Agrarkultur vereinbar. Deshalb setzt sich die Schweisfurth Stiftung aktiv für die Ausbreitung der kuhgebundenen Kälberhaltung ein. Im Rahmen des Projekts „Kuhgebundene Kälberaufzucht“ werden konkreten Lösungen zur Förderung dieser Haltungsform sowie deren Umsetzung in der Praxis erarbeitet. Maßnahmen sind die Organisation von Praxis-Dialogen mit interessierten Akteuren und die Präsentation des Themas auf Veranstaltungen. Auf diese Weise wird der Erfahrungsaustausch und der Wissenstransfer zwischen Milchviehalten, Wissenschaftler und potenziellen Marktpartnern gefördert.

Sie möchten das Projekt unterstützen? Hier finden Sie mehr Infos.

Kuhgebundene Kälberaufzucht: Pioniere zeigen, dass es geht!

Die Kälber wieder bei den Müttern lassen – dafür plädierten die ReferentInnen bei der Veranstaltung „Kuhgebundene Kälberaufzucht: Milch und Fleisch aus besonders tierfreundlicher Haltung“ auf der BIOFACH. Doch wie funktioniert eine kuhgebundene Kälberaufzucht? Und was passiert eigentlich mit den Bullenkälbern? Diese und weitere Fragen wurden von Saro G. Ratter, Projektmanager der Schweisfurth Stiftung, Rolf Holzapfel, Geschäftsführer der Demeter Heumilch Bauern Süd und Beate Reisacher, Projektmanagerin Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten diskutiert.

Kuhgebundene Kälberaufzucht: Von Hollywood bis Nürnberg ein wichtiges Thema

Kälber wieder bei den Müttern lassen – dafür plädierten (v. l. n. r.) Rolf Holzapfel, Geschäftsführer der Demeter Heumilch Bauern Süd, Beate Reisacher, Projektmanagerin Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten und Saro G. Ratter, Projektmanager Tierwohl der Schweisfurth Stiftung, auf der Biofach.

„Wir fühlen uns berechtigt, eine Kuh künstlich zu befruchten und ihr Baby zu stehlen, obwohl ihre Angstschreie unüberhörbar sind. Dann nehmen wir ihre Milch, die für ihr Kalb gedacht ist und geben sie in unseren Kaffee und unser Müsli“, klagte Joaquin Phoenix bei seiner Oscar-Rede vergangene Woche die derzeitig gängige Milchviehhaltung an. Das Thema kuhgebundene Kälberaufzucht bekommt zunehmend Aufmerksamkeit. Immer mehr VerbraucherInnen fordern eine artgerechtere Aufzucht in der Milchviehbranche. In der Praxis sei dies aber kein leichtes Unterfangen, erklärte Saro G. Ratter: „Zum einen sprechen wirtschaftliche Faktoren dagegen. So lange die Preise für Produkte aus dieser Haltungsform die höheren Kosten nicht decken, stellt diese einen finanziellen Verlust für die Landwirte dar. Zum anderen fehlt es häufig an Wissen bei Praktikern, Fachberatern und Stallbauplanern wie eine kuhgebundene Kälberaufzucht praktisch umgesetzt werden kann.“ Den LandwirtInnen diese Unsicherheiten zu nehmen – genau das sei das Ziel des Projektes kuhgebundene Kälberaufzucht der Schweisfurth Stiftung. Im Rahmen des Projektes soll der Erfahrungsaustausch, der Wissenstransfer sowie die Vernetzung zwischen MilchviehhalterInnen, WissenschaftlerInnen und MarktpartnerInnen gefördert werden.

Gleiches Recht für Bruder und Schwester

Praktische Erfahrung in Sachen kuhgebundene Kälberaufzucht haben sowohl Beate Reisacher als auch Rolf Holzapfel. Ein besonderes Anliegen, das machten sie auf der Biofach Veranstaltung deutlich, ist den beiden die artgerechte Aufzucht von Bullenkälbern. Diese und auch ein Teil ihrer Schwestern werden nicht für die Milchproduktion gebraucht und oft im Alter von nur zwei bis vier Wochen an Mastbetriebe abgegeben – Milchbauern machen dies häufig nur mit Unbehagen. „Landwirte haben auch die moralische Verantwortung für die Tiere, die den Hof verlassen müssen. Hier müssen tierwohlgerechte und gleichzeitig ökonomisch tragfähige Lösungen gefunden werden“, forderte Rolf Holzapfel. Die größte Herausforderung liege dabei in der Vermarktung: Denn das Fleisch aus einer kuhgebundenen Kälberaufzucht ist teurer und unterscheidet sich in Farbe und Geschmack von Fleisch aus herkömmlicher Aufzucht. „Das grundliegende Problem ist, dass Bio-Milch- und Bio-Fleischproduktion aus Effizienzgründen über die letzten Jahrzehnte hinweg voneinander entkoppelt wurden. Hier müssen wir umdenken“, erklärte Beate Reisacher. Die Vermarktung von Bio-Rindfleisch aus der Milchviehhaltung sollte der Nachfrage nach Bio-Milch entsprechen, damit keine Kälber in die konventionelle Mast gehen müssen. Denn „Bio-Milch und Bio-Fleisch gehören zusammen“ – wie das Motto der Allgäuer Hornochsen erklärt.

Die Diskussion machte deutlich: Die Umsetzung der kuhgebundenen Kälberaufzucht in die Praxis ist machbar, aber die Vermarktung von Milch und Fleisch stellt eine große Herausforderung dar. Doch Leuchtturmprojekte wie das von Rolf Holzapfel zeigen, dass es geht und machen Mut.

Erfahren Sie hier mehr über die Projekte Allgäuer Hornochse, wo bereits einige Mitglieder die kuhgebundene Kälberaufzucht praktizieren und Demeter Heumilch Bauern Süd, wo bereits alle Mitglieder auf diese besonders tierfreundliche Haltung umgestellt haben.

„Tierschutz auf dem Teller®“? Neuer Film stellt drei Betriebe vor!

Woher kommen die Zutaten auf meinem Teller? Diese Frage beschäftigt immer mehr Menschen – sowohl in der eigenen Küche, als auch im Restaurant oder in der Kantine. Dass Genuss, Qualität und ein verantwortungsbewusster Umgang mit Lebensmitteln auch in der Außer-Haus-Verpflegung möglich ist, zeigen die drei Betriebe – die Schulmensa der Ludwig-Thoma Realschule in München, das Restaurant „ROSE“ in Vellberg-Eschenau und das Restaurant „Seekrug“ auf der Nordseeinsel Langeoog – die dafür von der Schweisfurth Stiftung im Rahmen des Projektes „Tierschutz auf dem Teller®“ ausgezeichnet wurden.

Wie das Engagement der ausgezeichneten Betriebe konkret aussieht, zeigt folgender Kurzfilm:

https://www.youtube.com/watch?v=muqNeGMpGqs

„Tierschutz auf dem Teller®“ geht in die nächste Runde

Auch in diesem Jahr fördert die Schweisfurth Stiftung das Engagement von Gastro-Betrieben, die kulinarischen Genuss mit ökologischer Verantwortung in der Außer-Haus-Verpflegung miteinander verbinden. Es werden – wie jedes Jahr – zwei bis drei Betriebe, die in Sachen Gastro-Tierschutz vorangehen und als Leuchttürme für die gesamte Branche agieren, von der Jury ausgewählt und mit der Tierschutz-Kochmütze ausgezeichnet. Bewerbungen und Nominierungen können noch bis Mai 2020 per E-Mail an info@schweisfurth-stiftung.de werden.

Weitere Informationen zu den Anforderungen an teilnehmende Betriebe und zum Projekt „Tierschutz auf dem Teller®“ allgemein gibt es hier.

Wie geht „Tierschutz auf dem Teller®“? Drei Betriebe zeigen es!

Den Tierschutz unter den Tisch fallen lassen? Das gibt es hier nicht. Deshalb wurden die drei Betriebe – die Schulmensa der Ludwig-Thoma Realschule in München, das Restaurant „ROSE“ in Vellberg-Eschenau und das Restaurant „Seekrug“ auf Langeoog – von der Schweisfurth Stiftung im Rahmen des Projektes „Tierschutz auf dem Teller®  ausgezeichnet. Denn sie alle zeigen, dass Genuss, Qualität und ein verantwortungsbewusster Umgang mit Lebensmitteln auch in der Außer-Haus-Verpflegung möglich sind.

Ein Leuchtturm für die gesamte Branche: Schulküche kocht mit 100% Bio-Zutaten

Die Freude ist groß bei Verena Schlegel (mitte), Küchenleiterin der Schulmensa der Ludwig-Thoma Realschule als Dr. Niels Kohlschütter (l.), Vorstand der Schweisfurth Stiftung, zusammen mit Markus Lindner (r.), Landesbeauftragter Bayern von Euro-Toques, ihr die Tierschutz-Kochmütze verleiht.

„Wir versorgen täglich ca. 600 SchülerInnen mit Frühstück, Pausensnacks und Mittagessen aus 100% Bio-Zutaten. Gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit sind mir dabei sehr wichtig“, erklärt Verena Schlegel, Küchenleiterin der Schulmensa der Ludwig-Thoma Realschule. Ihr ganzheitliches Konzept überzeugte die Jury: „Die Schulmensa der Ludwig-Thoma Realschule ist ein Leuchtturmbeispiel für die gesamte Branche. Sie zeigt, dass mit Engagement und entschlossenem Handeln auch in einer Schulkantine Nachhaltigkeit umfassend umgesetzt werden kann“, begründet Dr. Niels Kohlschütter, Vorstand der Schweisfurth Stiftung und Jury-Mitglied des Projekts, die Jury-Entscheidung.

„Bio“ in der Außer-Haus-Verpflegung auch abseits der Großstädte – zwei „Best Practice“ Beispiele zeigen wie es geht

Qualität, Regionalität, der Einsatz von ökologischen Erzeugnissen, aber auch Handwerk und Tierwohl stehen ganz oben auf der Agenda des Restaurants „ROSE“. Insbesondere die konsequente Umsetzung des Konzeptes der Ganztierverwertung beeindruckte die Jury: „Unser Fleisch beziehen wir zu ca. 80 % als ganze Tiere, direkt von den Erzeugern. Diese sind zumeist Kleinbetreibe, die alte Nutztierrassen halten und pflegen. Uns ist wichtig, dass alle Tiere ein gutes Leben hatten“, erklärt die Inhaberin Adelheid Andruschkewitsch. Auch Bioland-Geschäftsführer Dr. Christian Eichert zeigt sich vom Engagement der Betreiber begeistert: „Durch den verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln und der engen Zusammenarbeit mit Bio-Höfen aus der Region, leistet das Ehepaar Andruschkewitsch einen wichtigen Beitrag, um eine enkelgerechte Landwirtschaft der Zukunft zu sichern.“

Und auch im Restaurant „Seekrug“ wird Genuss mit ökologischer Verantwortung verknüpft. Dazu der Inhaber Michael Recktenwald: „Wir verarbeiten ausschließlich ganze Tiere, verwerten alle Teile eines Tieres und beziehen sie nur von regionalen Partnern, die alle in einer Landkarte aufgeführt sind. Dadurch haben wir kurze Lieferwege, wenig Stress für die Tiere und können unsere Gäste über die Haltung und Verwertung der Tiere aufklären.“ Die Jury war sich auch hier einig: Das Restaurant „Seekrug“ ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie Gastro-Tierschutz in die Praxis umgesetzt werden kann.

 

Georg Schweisfurth (l.), Jury Mitglied des Projekts, überreicht zusammen mit Saro Gerd Ratter, Projektmanager Tierwohl der Schweisfurth Stiftung (r.) die Tierschutz-Kochmütze an Michael und Maike Recktenwald (mitte), Inhaber des Restaurant Seekrug auf der Insel Langeoog.

Jürgen und Adelheid Andruschkewitsch (mitte), Inhaber des Restaurant ROSE freuen sich zusammen mit Ute Zoll (l.), Bürgermeisterin Stadt Vellberg, Saro Gerd Ratter (r.), Projektmanager der Schweisfurth Stiftung über die Auszeichnung.

 

Weiter Informationen zum Projekt gibt es hier.

Staatliches Tierwohlkennzeichen – Schwein gehabt?

„Ein Schwein, das in seinem Leben nie galoppiert ist, nie in der Erde gewühlt hat – das weiß vielleicht gar nicht, dass es ein Schwein ist“ so denkt Karl Ludwig Schweisfurth, Gründer der Schweisfurth Stiftung sowie der Herrmannsdorfer Landwerkstätten über Tierwohl und artgerechte Tierhaltung. Themen, die bis heute eine zentrale Rolle in der Arbeit der Münchner Stiftung einnehmen. Als Impulsgeber und Berater begleitet die Schweisfurth Stiftung die aktuellen Debatten rund um das Thema Tierwohl in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Gegenwärtig sorgt die Einführung eines staatlichen Tierwohlkennzeichens für Diskussion: Kann damit ein tatsächlicher agrar- und tierethischen Fortschritt erzielt werden oder handelt es sich lediglich um ein weiteres Lebensmittel-Siegel im Label-Dschungel? Prof. Franz-Theo Gottwald, Vorstand der Schweisfurth Stiftung und Tierethiker schätzt das Potenzial des staatlichen Tierwohlkennzeichens wie folgt ein:

Ein agrar- und tierethischer Fortschritt?

Ziel des staatlichen Tierwohlkennzeichens ist es, den Tieren von der Geburt bis zu ihrem Tod mehr Schutz und bessere Haltungsbedingungen zu garantieren. Gleichzeitig ermöglicht es dem Verbraucher schneller und einfacher zu erkennen, bei welchen Produkten höhere als die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten wurden. Hierzu wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein dreistufiges Kennzeichnungssystem – zunächst nur für die Verbesserung der Schweinehaltung in Deutschland, weitere Nutztiere sollen folgen – entwickelt, das auf 13 Kriterien (siehe Grafik) basiert. Alle drei Stufen bieten ein Mehr an Tierwohl und werden dementsprechend gekennzeichnet. Eine Teilnahme ist jedoch freiwillig.

Mehr Platz im Stall, weniger Stress bei Schlachtung und Transport, Verbesserungen im Bereich Futter und Beschäftigung – das staatliche Tierwohlkennzeichen adressiert damit alle wesentlichen Lebensstationen der Schweine und spart auch nicht die kritischen Praktiken des Schwanzkupierens und der Ferkelkastration aus. Werden die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben zur Schweinehaltung als Maßstab herangezogen, dann sind die Entwicklungsmöglichkeiten, die das staatliche Tierwohlkennzeichen für Schweine anbietet, ein agrar- und tierethischer Fortschritt.

Zu spät dran!

Allerdings haben sich am Markt längst verschiedene Systeme zur Kennzeichnung von besonders tierwohlgerechtem Fleisch etabliert. So können Kunden schon heute am Biosiegel erkennen, dass das Fleisch bzw. die Wurst aus artgerechter, gesundheitsfördernder Tierhaltung kommt. Ein tatsächlicher Fortschritt wäre an dieser Stelle die Einführung europaweiter einheitlicher politischer Vorgaben für mehr Tierwohl mit verbindlichem Charakter. Möglicherweise könnte hier ein Tierschutz-TÜV für Haltungssysteme helfen, wie er in anderen Ländern, wie beispielsweise der Schweiz, erfolgreich arbeitet. Die Etablierung eines staatlichen Labels ist nicht genug, um die von den Bürgern gewünschten und erforderlichen Verbesserungen in der Nutztierhaltung zu erreichen. Vielmehr müssen klare Richtlinien für alle gesetzlich verankert werden. Es ist ein Schritt in Richtung mehr Tierwohl, bleibt es jedoch bei der Freiwilligkeit der Kennzeichnung, wird das staatliche Tierwohlkennzeichen wohl kaum zu deutlichen, flächendeckenden Verbesserungen in Sachen Tierwohl führen.

Gemeinsam verantwortlich handeln. Echtes Tierwohl voranbringen!

Informationen zum aktuellen Projekt kuhgebundene Kälberaufzucht
der Schweisfurth Stiftung finden Sie hier.

3.000 Kilogramm – um diese Menge ist laut Milchindustrie Verband die durchschnittliche Jahresmilchleistung einer deutschen Kuh heute im Vergleich zu 1990 gestiegen. Ein Anzeichen dafür, dass es den Kühen gut geht? – Ja, davon sind zumindest einige Branchenvertreter überzeugt: Denn wenn es den Kühen nicht so gut ginge, könnten sie auch nicht so viel Milch geben, argumentieren sie. Für uns ein Trugschluss! Deshalb setzten wir uns für echtes Tierwohl ein! Jede Spende, die unsere Arbeit finanziell unterstützt, ist ein wichtiger Beitrag beispielsweise dafür, dass immer mehr Landwirte eine kuhgebundene Kälberaufzucht praktizieren können.

Doch zunächst ein paar Fakten über gängige Praktiken in der Haltung von Milchvieh: Über 90 Prozent der Milchkühe dürfen ihre Hörner nicht mehr tragen, Kälber werden in der Regel kurz nach der Geburt von der Mutterkuh getrennt, sodass ein Ausleben von artgerechtem Verhalten wie Saugen am Euter und Ablecken des Kalbes durch die Kuh nicht möglich ist, und die Kälbersterblichkeit ist bedenklich hoch – einige Quellen berichten von über zehn Prozent.

Tierwohl beginnt bei der Kälberaufzucht

Tierwohl und artgerechte Haltung von Milchkühen beginnen mit der Kälberversorgung, davon sind wir überzeugt. Eine Alternative zur Trennung von Kuh und Kalb direkt nach der Geburt stellt die kuhgebundene Kälberaufzucht dar. Dies bedeutet, dass die Kälber von der eigenen Mutter oder einer Ammenkuh gesäugt werden und täglich Kontakt mit erwachsenen Kühen haben. Studien zeigen, dass sich dies positiv auf Gesundheit, Entwicklung und Sozialverhalten der Kälber auswirkt. Die tierfreundlichere Kälberaufzucht ist jedoch mit einem höheren finanziellen Aufwand verbunden und wird auch deshalb in der Praxis kaum angewandt. Was zählt mehr im ethisch-ökonomischen Spannungsfeld: Der „Preis“ oder der „Wert“?

Jeder kann einen Unterschied machen

Nur Tierwohl, das bei der Aufzucht beginnt, ist mit den ethischen Grundsätzen der ökologischen Agrarkultur vereinbar. Dabei kann jeder Einzelne einen Beitrag zur Förderung echten Tierwohls leisten, zum Beispiel indem beim wöchentlichen Einkauf auf die Herkunft tierischer Produkte geachtet wird. Eine weitere Möglichkeit ist die Beteiligung an Organisationen, Vereinen und Stiftungen, die sich für das Thema stark machen und grundlegende Veränderungsprozesse anstoßen. So engagiert sich die Schweisfurth Stiftung beispielsweise aktiv für die Ausbreitung der kuhgebundenen Kälberaufzucht. Eine konkrete Projektmaßnahme ist zum Beispiel die Durchführung eines Praxis Dialogs am 08. April 2019, bei dem sich MilchviehhalterInnen, WissenschaftlerInnen und potenzielle MarktpartnerInnen über ihre Erfahrungen austauschen können. Um dieses Projekt weiter voranzubringen, sind wir als gemeinnützige Stiftung auf Spenden angewiesen. Hier finden Sie mehr zum Thema Spenden. Gerne können Sie auch persönlich mit uns Kontakt aufnehmen.

Von unglücklichen Kühen und einer Männerquote für Küken

Männliche Küken werden geschreddert und Kühen die Hörner entfernt! – Wie kann das sein? Welche Alternativen gibt es? Heutzutage werden Tiere meist zu reinen Produktionsmitteln degradiert. Sie werden so gezüchtet, dass sie optimal an die Ansprüche des industriellen Agrarsystems angepasst sind. Doch es geht auch anders, wie die Podiumsdiskussion des Tierzuchtfonds, einer Initiative der Schweisfurth Stiftung, des Deutschen Tierschutzbundes und der Zukunftsstiftung Landwirtschaft, auf der Biofach 2019 zeigte.

Produktionsfaktor Tier

Die moderne Tierzucht findet gegenwärtig viel mehr im Reagenzglas statt als im Stall. Der Fokus liegt darauf, die Tiere auf Hochleistung zu züchten. Wesen und Würde der Tiere geraten dabei vollkommen aus dem Blick. Die Folgen: Die Tiere sind anfälliger für Krankheiten, was einen erhöhten Einsatz von Antibiotika mit sich bringt, weisen eine geringere Lebenserwartung auf und die biologische Vielfalt nimmt ab. Dies ist nicht mit den ethischen Grundsätzen des ökologischen Landbaus vereinbar. Bei einer artgemäßen Tierzüchtung sind Aspekte wie Gesundheit, Widerstandsfähigkeit, Langlebigkeit und Erhalt bedrohter Nutztierrassen wesentlich. Leider steht den LandwirtInnen derzeit nur eine kleine Basis an ökologisch gezüchteten Nutztierrassen zur Verfügung. Eine artgemäße Zucht im ökologischen Landbau ist deshalb Gebot der Stunde.

Es geht auch besser!

Wie eine Ausweitung der artgerechten Züchtung möglich ist, wurde im Rahmen der Podiumsdiskussion des Tierzuchtfonds auf der Biofach 2019 diskutiert. VertreterInnen aus Handel, Zucht und Wissenschaft tauschten sich über Lösungsansätze und die notwendigen Schritte hin zu einer ökologischen Tierzucht aus. So forderten Inga Günther, Geschäftsführerin der Ökologischen Tierzucht gGmbH, Mainz und Franziska Hagen, Fachreferentin des Deutschen Tierschutzbundes, Bonn die ökologische Züchtung für Bio-Betriebe verpflichtend zu machen. Diese soll sich an den Zuchtzielen Rassenvielfalt, Langlebigkeit, Robustheit, Zweinutzungsrassen, Freilandtauglichkeit sowie Anpassungsfähigkeit der Tiere an regionale Gegebenheiten orientieren. Für eine eigene Bio-Züchtung bedarf es neben viel Engagement vor allem einen hohen finanziellen Aufwand. Daraus folgerte Georg Kaiser, Geschäftsführer der Bio Company – ein Biosupermarkt-Filialist mit Hauptsitz in Berlin, dass Produkte aus Öko-Zucht teurer sein sollten. Dies erfordert jedoch die Bereitschaft der VerbraucherInnen, einen höheren Preis für echtes Tierwohl zu zahlen. Voraussetzung dafür ist, dass KonsumentInnen über die Problematik informiert sind und deren Auswirkungen verstehen. Deshalb führt Kaiser regelmäßig Kampagnen in den Bio Company-Filialen durch: So werden beispielsweise im Rahmen der Bruderhahn Initiative Deutschland VerbaucherInnen auf die nutzlose Tötung männlicher Küken aufmerksam gemacht. Der Handlungsbedarf sei auch bei anderen Tierarten dringend, warnte Professor Onno Poppinga vom Kassler Institut für ländliche Entwicklung: Die Vielfalt der Rinder-Gene hat aufgrund der Konzentration auf einige wenige Zuchtbullen bereits drastisch abgenommen. Vereinzelt gibt es jedoch auch positive Entwicklungen, wie beispielsweise das Engagement vieler Demeter-Betriebe, eine eigenständige Zucht für hörnertragende Rinder aufzubauen. „Die Diskussion zeigt: Ökologische Tierzucht ist eine der drängendsten Herausforderung der Bio-Branche. Bewältigt werden kann sie nur von Züchtern, Herstellern, Händlern und Verbrauchern gemeinsam. Der Tierzuchtfonds ist dabei ein wichtiges Instrument, um artgemäße Zucht zu fördern und damit den ökologischen Landbau zu stärken.“, fasst Prof. Franz-Theo Gottwald, Vorstand der Schweisfurth Stiftung, das Fazit der Diskussion zusammen.

Ausschreibung der Tierschutz-Kochmütze 2018

Pioniere für artgerechte Tierhaltung gesucht! Wir lassen den Tierschutz nicht unter den Tisch fallen. Ob im Restaurant, in Bildungseinrichtungen, Kantinen oder anderen Küchen – Tierschutz gehört auf den Teller. Darum vergibt die Schweisfurth Stiftung mit dem Projekt Tierschutz auf dem Teller® jedes Jahr die Tierschutzkochmütze an Köche, die neben dem leiblichen Wohl der Gäste auch das Wohlergehen der Tiere großschreiben.

Außer-Haus-Verpflegung boomt

Vom Schnitzel auf dem Teller über den Milchschaum des Cappuccinos bis hin zu Wurst, Käse und Ei –Zuhause entscheidet jeder selbst, was auf den Teller kommt. In einer zunehmend mobilen Gesellschaft sind wir viel unterwegs und damit mehr denn je auf Außer-Haus-Verpflegung angewiesen. Auch jenseits des eigenen Herdes stellen sich immer mehr Menschen die Fragen: „Was esse ich da gerade? Woher kommen die Zutaten auf meinem Teller?“ Bei tierischen Produkten ist die artgerechte Haltung wichtig. Zum Beispiel, dass das Schwein Stroh zum Wühlen hat und das Huhn Sand für ein Bad.

Wer wird ausgezeichnet?

Kochen ist Passion, Kunst, Herausforderung und Verantwortung zugleich. Die Schweisfurth Stiftung zeichnet daher seit über 10 Jahren Außer-Haus-Verpfleger aus, die sich für artgerechte Tierhaltung stark machen, indem sie u.a.

  • langfristige Partnerschaften mit regionalen Lieferanten pflegen,
  • das Thema Tierwohl an ihre Kunden kommunizieren,
  • eine Verwertung aller Teile des Tieres anstreben,
  • vegetarische & vegane Alternativen anbieten und
  • mindestens 60 % aller Erzeugnisse tierischer Herkunft aus zertifizierter, ökologischer Herstellung beziehen.

Die von uns ausgezeichneten Betriebe tragen als Botschafter den Tierschutz auf dem Teller in die kulinarische Welt hinaus. Der Gast profitiert davon in jeder Hinsicht: höchste Qualität, bunte Vielfalt, bester Geschmack − Genuss mit gutem Gewissen.

Jetzt mitmachen!

Möchten Sie Ihr Lieblingsrestaurant, Ihre Kantine oder die Schule Ihrer Kinder nominieren?

…oder…

möchten Sie sich als Betrieb mit Ihrem Team bewerben?

Hier finden Sie weitere Informationen zur Bewerbung.

Einsendeschluss ist der 31. Juli 2018.

Zur aktuellen Pressemitteilung geht es hier.

Die Verleihung der Tierschutz-Kochmützen für das Jahr 2018 findet im Oktober statt.