Tierwohl

Eine Frage der Haltung: Zweinutzungshuhn oder Früh-Erkennung im Ei?

Werner Hockenberg (Bruderhahninitative), Kristin Höller (SELEGGT GmbH), Prof. Dr. Franz Theo Gottwald ( Schweisfurth Stiftung), Annika Bromberg (Tierzuchtfonds) und Inga Günther (Ökologische Tierzucht gGmbH) auf der Biofach (v.l.n.r)

Schluss mit dem Kükenschreddern! Da waren sich die Diskutanten auf der Biofach Veranstaltung des Tierzuchtfonds einig. Doch wie kommen wir aus dem Kükendilemma? Sind das Zweinutzungshuhn und/oder die Früherkennung im Ei eine praxistaugliche, tierethisch vertretbare Alternative? Diesen Fragen gingen Werner Hockenberg, Geflügelzüchter und Mitinitiator der Bruderhahninitative , Inga Günther, Geschäftsführerin der Ökologischen Tierzucht gGmbH , Annika Bromberg vom Tierzuchtfonds, Kristin Höller, Referentin bei der SELEGGT GmbH und Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald, Vorstandsvorsitzender der Schweisfurth Stiftung, auf den Grund.

Ethik versus Wirtschaftlichkeit – ein unauflösbarer Konflikt?

Jedes Jahr werden allein in Deutschland circa 50 Millionen männliche Küken getötet, da sie keine Eier legen und als Masthähnchen ungeeignet sind. In der Logik der Agrarindustrie sind sie deshalb nutzlos. Aus tierethischer Sicht ist dies eine nicht vertretbare Haltung. Als vielversprechende Alternative gilt die In-Ovo-Selektion, also die Vorab-Geschlechtsbestimmung im Ei. Doch kann die Technik halten, was sie verspricht? Kristin Höller von der SELEGGT GmbH, die Forschung und Entwicklung zu In-Ovo-Verfahren betreibt, ist davon überzeugt und zeigte die Vorteile der Methode auf: „Mit Hilfe der endokrinologischen Geschlechtsbestimmung können wir das Kükentöten verhindern. Gleichzeitig ist es mit der heute gelebten Effizienz des Sektors vereinbar.“ Die anderen Diskutanten waren hier anderer Meinung und entgegneten, dass es sich bei der In-Ovo-Selektion lediglich um eine vorgezogene Tötung der männlichen Küken im Embryo-Stadium handelt. Außerdem sei die Frage, ab welchem Moment ein Hühnerembryo in der Lage ist, Schmerz zu empfinden, von der Wissenschaft noch nicht eindeutig beantwortet. Sie kamen deshalb zu dem Schluss, dass Verfahren zur Früh-Erkennung im Ei nicht mit tierethischen Grundsätzen vereinbar seien. Werner Hockenberger sprach sich deshalb für das Konzept des Bruderhahns aus: „Bei unserer Bruderhahninitative dürfen die Männchen weiterleben. Finanziert wird das Ganze durch die Hennen, denn ihre Eier werde mit einem minimalen Aufpreis von zwei bis vier Cent verkauft – so verdienen die Schwestern das Futter für ihre Brüder mit.“ Für Inga Günther, die sich intensiv mit ökologischer Tierzucht beschäftigt, ist das Zweinutzungshuhn die beste Lösung. So argumentierte sie: „Zweinutzungsrassen sind richtige Allrounder: Sie eignen sich sowohl zur Eier- als auch zur Fleischerzeugung. Dadurch wird das Töten männlicher Küken überflüssig, da sie ja für die Mast geeignet sind.“ Die Krux dabei: Legeleistung und Fleischanteil von Zweinutzungsrassen sind deutlich geringer als von den entsprechenden Hochleistungsrassen. Deshalb sind sowohl Eier als auch Hähnchen teurer als bei einseitig spezialisierten Züchtungen. „Hier braucht die Branche die Unterstützung der Verbraucher und Verbraucherinnen. Wenn diese bereit sind für mehr Tierwohl auch ein wenig mehr Geld auszugeben, kann das Zweinutzungshuhn Verbreitung finden. Doch Voraussetzung dafür ist eine umfassende Verbraucheraufklärung über die Problematik“, ergänzte Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald.

Eines machte die Diskussion deutlich: die größte Herausforderung ist es Tierwohl und Wirtschaftlichkeit miteinander zu vereinbaren.

Über den Tierzuchtfonds

Der Tierzuchtfonds ist eine gemeinsame Initiative der Schweisfurth Stiftung, des Deutschen Tierschutzbundes und der Zukunftsstiftung Landwirtschaft. Ziel ist es, eine artgemäße Nutztierzucht zu fördern, die für die tiergerechte Haltung in ökologischen und bäuerlichen Betrieben geeignet ist. Mehr Informationen über die Arbeit des Tierschutzfonds gibt es hier.

 

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