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Erfolgsrezept Kooperation: Durch gute Zusammenarbeit Veränderungen vorantreiben

Ob solidarische Landwirtschaft, Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften oder landwirtschaftliche Hof- und Vermarktungsgemeinschaften – bei all diesen Organisationsformen gilt die Devise Kooperation statt Konkurrenz führt zum Erfolg. Doch die Erfahrung in der Praxis zeigt: In jedem Gemeinschaftsprojekt stecken diverse organisatorische und zwischenmenschliche Herausforderungen. Die nach dem Open Source-Prinzip konzipierte Online-Plattform www.wir-kooperieren.org gibt Verantwortlichen Hilfestellung und nützliche Werkzeuge an die Hand, um genau diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern und den Gemeinschaftsprozess zielführend zu navigieren. In einer interaktiven Online-Schulung haben nun die Projektverantwortlichen Stephan Illi und Thomas Schmid, die beide als freie Berater für Kooperationen tätig sind, und Dr. Niels Kohlschütter, Vorstand der Schweisfurth Stiftung, die Weiterentwicklung der Plattform, insbesondere durch Bewegtbild-Elemente, vorgestellt.

(c) Xäls

Die Gründer:innen von Xäls nutzen die Online-Plattform www.wir-kooperieren.org für den Aufbau ihrer Genossenschaft.

Ziel der Schulung war es, den Teilnehmer:innen den Umgang mit der Plattform nahezubringen und die einzelnen Instrumente direkt erlebbar zu machen. In kurzen Sessions wurden deshalb die eigenen Erfahrungen mit Gemeinschaftsprozessen anhand unterschiedlicher Fragestellungen beleuchtet und diskutiert. Ein wichtiges Ergebnis dabei: Vertrauen ist ein wesentliches Element für die Gemeinschaftsbildung. Doch wie lässt sich Vertrauen nachhaltig aufbauen? „Auch zu dieser wichtigen Frage finden Interessierte nützliche Tipps und Methoden auf www.wir-kooperieren.org. Dort werden alle essentiellen Phasen von Gemeinschaftsprozessen thematisiert – von der Diagnose „wo stehen wir“ bis hin zur Verteilung konkreter Aufgaben. Damit haben wir ein hilfreiches Tool-Kit geschaffen, das frei zugänglich und direkt in der Praxis anwendbar ist“, kommentiert Kohlschütter. „Die Schulung motiviert mich, unseren eingeschlafenen Prozess beim Aufbau einer Erzeugergemeinschaft von Gemüsebaubetrieben wiederzubeleben. Ich konnte Wege und Instrumente kennenlernen, die uns dabei helfen, unsere aktuellen Hürden zu überwinden“, resümiert Teilnehmer Tim Fetzer.

Gemeinsam für Lebensmittel aus der Region – ein Erfahrungsbericht

Stephan Illi, Projektleiter von wir-kooperieren.org und Berater für Kooperationen und Organisationsentwicklung, begleitet und unterstützt seit vielen Jahren Gemeinschaftsprozesse, insbesondere den Aufbau von Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaften (EVG). Im Gespräch mit der Schweisfurth Stiftung berichtet er von seinen Erfahrungen.

Sie haben sich in den letzten Jahren viel mit der Gründung und dem Aufbau von Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften beschäftigt. Warum?

Weil ich in ihnen großes Potenzial für eine regionale, nachhaltige Lebensmittelversorgung sehe. In diesem Konzept werden Erzeuger:innen und Verbraucher:innen, aber auch Stadt und Land neu zusammen gedacht. Das Schlüsselwort ist hier „direkt“. Erzeuger:innen und Verbraucher:innen haben eine unmittelbare Beziehung und davon profitieren alle: Die Erzeuger:innen durch feste Abnahmen und die Verbraucher:innen durch Transparenz bezüglich Herkunft, Herstellung und Preise. So unterscheiden sich EVGs deutlich von klassischen Supermärkten, da sie weder in der Anonymität noch der Intransparenz verloren gehen; und auch von kleinen Strukturen wie Solidarischen Landwirtschaften, die häufig nur wenige Haushalte mit regionalen Lebensmitteln versorgen. Damit schließen EVGs eine wichtige Lücke und können ein wesentliches Element sein, um die Ernährungssouveränität einer Region voranzubringen.

Sie haben an unterschiedlichen Projekten mitgewirkt – wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen?

Stephan Illi, (c) Stephan Illi

Ein sehr besonderes Projekt durfte ich in der Neckar-Alb Region begleiten. Die regionale Bio-Lebensmittelvermarktung mit Anbau, Verarbeitung und Handel hat in der Region noch eine vergleichsweise gute Struktur, steht aber durch den konventionellen Lebensmitteleinzelhandel und Bio-Supermarktketten erheblich unter Druck. Drei Ehepaare, zwei Naturkosthändler und ein Biohof, haben eine gemeinsame Vision: eine Zusammenarbeit zwischen Erzeuger:innen, Lebensmittel-Handwerker:innen, Handel und Verbraucher:innen. Alle an einem Tisch, für eine gemeinsame und zukunftsfähige Lebensmittelwirtschaft in der Region Neckar-Alb. Zu diesem Zweck gründeten sie im August 2019 eine Genossenschaft: Xäls eG – Ökologische Genossenschaft Necker-Alb. Die Herausforderung bei diesem Projekt: Wie können sehr viele Verbraucher:innen eingebunden werden? Die Antwort: Information und Mitverantwortung. Aus dem neu entstandenen Wissen entwächst Engagement und der Wille, mitzugestalten. So wird das Konzept auch finanziell von Vielen mitgetragen. In der Region Necker-Alb beginnt ein Wandel stattzufinden und die Genossenschaft wächst und kann sich neben den überregionalen Biomarkt-Strukturen behaupten – ein Beispiel dafür, wie EVGs Veränderungen vorantreiben.

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